Klauselersetzung durch einen Krankenversicherer
Klauselersetzung durch einen Krankenversicherer
Die Ersetzung einer durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärten Regelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen kann nur dann i.S.d. § 164 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VVG zur Fortführung des Vertrages notwendig sein, wenn infolge der Unwirksamkeit der Klausel mindestens die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung erfüllt sind.
Entscheidungsanalyse zu BGH, 12.03.2025 – IV ZR 32/24
Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Krankentagegeldversicherung in Anspruch. Er unterhielt bei der Beklagten seit Februar 2017 eine solche Versicherung. Dem Vertrag mit der Beklagten lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde, die in § 4 Abs. 4 eine Bestimmung enthielten, die § 4 Abs. 4 der damaligen Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) entsprach und welche die Beklagte bei gesunkenem Nettoeinkommen des Klägers zur Herabsetzung des Krankentagegeldsatzes berechtigte (Abs. 4 MB/KT 2009). Eine solche Klausel hat der BGH wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB für unwirksam erklärt. Im Juni 2018 übersandte die Beklagte dem Kläger geänderte Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB), in denen die Klausel in § 4 Abs. 4 durch eine neue Regelung ersetzt und die um eine weitere Bestimmung in § 4 Abs. 2a ergänzt wurde. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass seine Krankentagegeldversicherung über den 01.05.2020 hinaus mit dem ursprünglich vereinbarten Tagessatz fortbesteht und die Beklagte nicht berechtigt ist, das Krankentagegeld einseitig herabzusetzen. Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsanalyse:
Der IV. Zivilsenat des BGH hat geurteilt, dass der Anwendungsbereich des Klauselersetzungsrechts aus §§ 203 Abs. 4, 164 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VVG hier eröffnet ist. Danach kann ein Krankenversicherer eine Bestimmung in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärt worden ist, durch eine neue Regelung ersetzen, wenn dies zur Fortführung des Vertrages notwendig ist. Die Ersetzung einer Klausel zur Vertragsfortführung setzt nach Worten des BGH mindestens voraus, dass durch die Unwirksamkeit der Bestimmung eine Regelungslücke im Vertrag entstanden ist. Der Senat erläutert, dass eine Klauselersetzung auf der Grundlage von §§ 203 Abs. 4, 164 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VVG nur dann notwendig zur Vertragsfortführung ist, wenn hinsichtlich der durch die Unwirksamkeit der betreffenden Klausel entstandenen Vertragslücke die Voraussetzungen gegeben sind, die vorliegen müssen, damit eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommt. Aus Sicht des BGH hätten hier die in den Vertrag als § 4 Abs. 2a und 4 AVB neu eingefügten Regelungen nicht Gegenstand einer ergänzenden Vertragsauslegung sein können, weil es bereits an deren allgemeinen Voraussetzungen fehlte.
Praxishinweis:
Der BGH hat in diesem Urteil erstmals die umstrittene Frage geklärt, ob der Krankentagegeldversicherer berechtigt ist, die für unwirksam erklärte Regelung in § 4 Abs. 4 MB/KT 2009 auf der Grundlage von §§ 203 Abs. 4, 164 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VVG zu ersetzen. Der BGH folgt hierbei der Ansicht, der Krankentagegeldversicherer könne sich nicht auf §§ 203 Abs. 4, 164 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VVG berufen, um § 4 Abs. 4 MB/KT 2009 zu ersetzen. Nach Überzeugung des BGH stellt es nämlich für den Krankentagegeldversicherer keine unzumutbare Härte dar, an einem infolge der Unwirksamkeit von § 4 Abs. 4 MB/KT 2009 lückenhaft gewordenen Vertrag festgehalten zu werden.
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