Verfahrensfehler eines externen Dienstleisters beim BEM-Verfahren
Verfahrensfehler eines externen Dienstleisters beim BEM-Verfahren führen zur Unwirksamkeit der Kündigung
Überträgt der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagement an einen externen Dienstleister und unterlaufen diesem Dienstleister Fehler bei der Durchführung, muss der Arbeitgeber sich diese Verfahrensfehler wie eigene zurechnen lassen. Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu ergreifen. Dabei ist es grundsätzlich zulässig, als ersten Schritt ein Informationsgespräch über das betriebliche Eingliederungsmanagement und als zweiten Schritt das – eigentliche – betriebliche Eingliederungsmanagement vorzusehen. Diese Schritte dürfen aber nicht vermischt werden.
Entscheidungsanalyse zu LAG Baden-Württemberg, 14.01.2025 – 15 Sa 22/24
Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche, arbeitgeberseitige Kündigung vom 31.07.2023, die auf krankheitsbedingte Gründe gestützt wird, zum 31.10.2023 beendet worden ist. Der Kläger ist seit 2014 bei der Beklagten beschäftig. Jedenfalls sei 2018 wies der Kläger erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten auf, die zwischen 65 und 121 Arbeitstage pro Jahr umfassten. Die Beklagte hat für die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements in ihrem Betrieb einen externen Dienstleister beauftragt. Mit Einladungsschreiben zur Teilnahme am Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX vom 24.01.2023 leitete die Beklagte bzw. der beauftragte Dienstleister das BEM-Verfahren ein. Der Kläger wurde zu einem „ersten Informationsgespräch“ eingeladen, dem er nachkam. In dem Gespräch wurden persönliche und gesundheitliche Angaben notiert. Im Protokoll wurde vermerkt, ein BEM werde nicht gestartet, da der Kläger mit seinem Arbeitsplatz zufrieden sei und dass er bei erneuter längerer Arbeitsunfähigkeit ein BEM aufnehmen könne oder erneut eingeladen werde. Im Nachgang kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Das ArbG hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die ordentliche Kündigung ist unwirksam. Die auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützte Kündigung ist unverhältnismäßig und damit sozial ungerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass keine zumutbare Möglichkeit bestand, die Kündigung durch mildere Maßnahmen zu vermeiden. War ein Arbeitgeber gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zur Durchführung eines BEM verpflichtet und ist er dieser Verpflichtung nicht oder fehlerhaft nachgekommen, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein BEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegen zu wirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Das LAG Baden-Württemberg hat zunächst klargestellt, dass ein Arbeitgeber sich Verfahrensfehler eines Dienstleisters wie eigene zurechnen lassen muss, wenn er das betriebliche Eingliederungsmanagement an einen externen Dienstleister überträgt. Hier hat die Beklagte bzw. der beauftragte Dienstleister zwar ein BEM eingeleitet, dabei sind dem Dienstleister jedoch mehrere gravierende Verfahrensfehler unterlaufen. Ein erster Verfahrensfehler liegt darin, dass weder der Arbeitgeber noch der externe Dienstleister hinreichend auf die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der damit verbundenen Datenverarbeitung hingewiesen haben. Es fehlte insbesondere an der Klarstellung, welche Gesundheitsdaten als besonders sensible Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO verarbeitet werden und dass die Datenverarbeitung nur zu dem Zweck erfolgt, ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM durchführen zu können. Einen zweiten Verfahrensfehler sieht das LAG Baden-Württemberg darin, dass der externe Dienstleister ein erstes Informationsgespräch und das eigentlich BEM vermischt hat. Grundsätzlich ist es zwar zulässig, das BEM in diese zwei Teilschritte aufzugliedern. Hier wurden die Schritte aber nicht getrennt, da im ersten Infogespräch bereits über die Krankheiten des Klägers, seinen Arbeitsplatz und dessen Belastungen sowie über Änderungsideen und Wünsche des Klägers betreffend die Art seiner Arbeit gesprochen wurde. Ein dritter Verfahrensfehler liegt in der irreführenden Kommunikation der Beklagten zu den Konsequenzen des BEM. Die Beklagte hat beim Kläger den Eindruck erweckt, dass die Entscheidung, den BEM-Prozess nicht fortzusetzen, noch nicht zur Grundlage einer Kündigung gemacht wird. Die Beklagte hat im vorliegenden Rechtsstreit nicht dargelegt, dass ein BEM, wäre es durchgeführt worden, objektiv nutzlos geblieben wäre. Sie hat ausdrücklich von Ausführungen hierzu abgesehen.
Praxishinweis:
Im Einladungsschreiben war die Passage „Falls der Mitarbeiter erneut erkrankt, kann er freiwillig ein BEM starten bzw. nach 6 Wochen erneuter Arbeitsunfähigkeit bekommt er eine neue Einladung.“ enthalten. Damit hat die Beklagte suggeriert, dass sie dem Kläger bei weiterer Arbeitsunfähigkeit gerade nicht kündigen werde. Hätte die Beklagte diesen Eindruck nicht erweckt, hätte der Kläger nach der Überzeugung der Berufungskammer am BEM-Verfahren mitgewirkt.
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