Krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) ist jedenfalls dann abgeschlossen, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind, dass der Suchprozess durchgeführt ist oder nicht weiter durchgeführt werden soll. Wie der Arbeitnehmer von vornherein die Zustimmung zur Durchführung eines bEM nicht erteilen kann, sodass es überhaupt nicht begonnen wird, so kann das bEM einvernehmlich beendet werden, und zwar unabhängig davon, wie weit es vorangebracht wurde. Es kommt dann darauf an, ob der Arbeitnehmer die notwendigen Kenntnisse über das bEM-Verfahren besaß, um beurteilen zu können, ob es beendet oder fortgesetzt werden sollte.
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LAG Düsseldorf, 17.05.2022, 14 Sa 825/21
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, personenbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war seit 2018 bei der Beklagten als Flugsicherheitsassistent beschäftigt. Im Jahr 2019 war der Kläger in neun Zeiträumen an insgesamt 36 Arbeitstagen wegen verschiedener Ursachen arbeitsunfähig erkrankt, im Jahr 2020 an insgesamt 82 Arbeitstagen. Die Beklagte leistete jeweils Entgeltfortzahlung. Mit Schreiben vom 23.07.2020 wurde der Kläger zu einem bEM-Gespräch eingeladen. Der Kläger stimmte der Durchführung des bEM zu, die Hinzuziehung von Betriebsrat und/oder Integrationsamt lehnte der Kläger ab. Am 29.10.2020 fand ein Gespräch im Rahmen des bEM statt. Der Kläger erklärte, dass er wieder voll einsatzfähig sei und aktuell keine Erkrankungen vorliegen, die ihn bei der Arbeit beeinträchtigen würden. Das bEM wurde einvernehmlich für beendet erklärt. Nachdem weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten auftraten, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.02.2021 zum 31.03.2021. Der Kläger meint, es liege keine negative Gesundheitsprognose vor, insbesondere sei der Referenzzeitraum zu kurz bemessen. In Anbetracht des bereits im Oktober 2020 durchgeführten bEM sei vor Ausspruch der Kündigung außerdem erneut ein bEM erforderlich gewesen. Das ArbG hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das LAG Düsseldorf hat aber die Revision zugelassen.
Entscheidungsanalyse:
Die Kündigung der Beklagten vom 25.02.2021 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.03.2021 aufgelöst. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers begründet. Das LAG Düsseldorf hat eine negative Gesundheitsprognose bejaht. Der Referenzzeitraum von zwei Jahren stellt vorliegend eine hinreichende Basis der negativen Prognose dar. Nach der Rechtsprechung des BAG ist der regelmäßig dreijährige Referenzzeitraum nicht starr, sondern es sind aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls kürzere, hinreichend prognosefähige Fehlzeitenräume zuzulassen (BAG, Urteil vom 25.04.2018, 2 AZR 6/18). Die betrieblichen Interessen der Beklagten sind durch die zukünftigen Arbeitsunfähigkeiten des Klägers und die dadurch zu erwartenden Entgeltfortzahlungsansprüche auch erheblich beeinträchtigt. Die Kündigung ist auch verhältnismäßig. Ein milderes Mittel zur Vermeidung oder Verringerung der Fehlzeiten ist nicht ersichtlich. Auch das von der Beklagten im Herbst 2020 durchgeführte, von den Parteien einvernehmlich abgeschlossene bEM hat ein solches Mittel nicht aufgezeigt. Ein erneutes bEM vor Ausspruch der Kündigung war nicht geboten. Hat ein ordnungsgemäß durchgeführtes bEM zu einem negativen Ergebnis, also zu der Erkenntnis geführt, es gebe keine Möglichkeiten, die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu überwinden oder künftig zu vermeiden, genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, wenn er auf diesen Umstand hinweist und behauptet, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten. Vorliegend war das bEM abgeschlossen. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) ist jedenfalls dann abgeschlossen, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind, dass der Suchprozess durchgeführt ist oder nicht weiter durchgeführt werden soll. Wie der Arbeitnehmer von vornherein die Zustimmung zur Durchführung eines bEM nicht erteilen kann, sodass es überhaupt nicht begonnen wird, so kann das bEM einvernehmlich beendet werden, und zwar unabhängig davon, wie weit es vorangebracht wurde. Es kommt dann darauf an, ob der Arbeitnehmer die notwendigen Kenntnisse über das bEM-Verfahren besaß, um beurteilen zu können, ob es beendet oder fortgesetzt werden sollte.
Praxishinweis:
Die Dauer des Prognosezeitraums lässt sich nicht generell präzisieren; in der Regel wird ein Zeitraum von unter zwei Jahren zu sehr von Zufällen geprägt sein, als dass eine fundierte Prognose möglich wäre. Es ist kein Grund ersichtlich, einem Arbeitgeber durch einen fest vorgegebenen Referenzzeitraum von drei Jahren de facto in den ersten Jahren eines Arbeitsverhältnisses eine auf häufige (Kurz-)Erkrankungen gestützte Kündigung zu versagen, wenn bereits nach einem kürzeren Referenzzeitraum eine gesicherte negative Gesundheitsprognose gegeben ist.
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