Prämienanpassung bei einer privaten Krankenversicherung
Begründung einer Prämienanpassung bei einer privaten Krankenversicherung
Bei einer privaten Krankenversicherung ist zur Begründung einer Prämienanpassung erforderlich, in der Mitteilung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen und/oder der Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln. Die Benennung der Rechnungsgrundlage muss auch bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen.
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OLG Köln, 22.09.2020, 9 U 130/19
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers. Streitig sind in zweiter Instanz die Beitragserhöhungen in den Tarifen: 1) A zum 01.07.2010 um 36,80 Euro 2) A zum 01.07.2014 um 22,73 Euro 3) A zum 01.07.2018 um 79,99 Euro Der im Jahr 1938 geborene Kläger ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Im Rahmen dieser Versicherung besteht in der Krankheitskostenversicherung Versicherungsschutz in dem Standardtarif A; hierzu wurden als AVB die Musterbedingungen für den Standardtarif (MB/ST 2009) vereinbart. Auslöser der streitigen Beitragserhöhungen waren nach dem Vortrag der Beklagten die Entwicklungen der Leistungsausgaben. Die für die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen maßgeblichen Zustimmungen wurden durch den Treuhänder erteilt. Die Beklagte teilte dem Kläger die Prämienerhöhungen zu den jeweiligen Stichtagen mit Schreiben aus Mai des jeweiligen Jahres mit. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.12.2018 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen geltend und forderte die Beklagte mit einer Fristsetzung von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens zur Rückzahlung der auf diese Erhöhungen gezahlten Prämienanteile auf. In der am 03.04.2019 zugestellten Klageerwiderung vom 25.03.2019 hat die Beklagte die Prämienerhöhungen zu den jeweiligen Stichtagen mit einem Anstieg der Leistungsausgaben begründet und den jeweiligen auslösenden Faktor mitgeteilt. Das Landgericht hat die Zahlungs- und Feststellungsklage des Klägers abgewiesen. Die in Rede stehenden Prämienanpassungen, deren materielle Rechtmäßigkeit nicht in Streit stehe, seien in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter.
Entscheidungsanalyse:
Der 9. Zivilsenat des OLG Köln hat geurteilt, dass der Kläger von der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB im Wege der Leistungskondiktion die Rückzahlung geleisteter Erhöhungsbeträge in dem Tarif A für den Zeitraum von Januar 2015 bis Dezember 2018 in Höhe von 2.857,44 Euro nebst anteiligen Verzugszinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB beanspruchen kann. Nach Überzeugung des Senats waren die Tariferhöhungen zum 01.07.2010 (36,80 Euro) und zum 01.07.2014 (22,73 Euro) wegen einer unzureichenden Begründung in den jeweiligen Mitteilungsschreiben der Beklagten in formeller Hinsicht unwirksam und sind erst durch die Zustellung der Klageerwiderung am 03.04.2019 geheilt und zum 01.06.2019 wirksam geworden. Nach § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. „Gründe“ i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG sind nach Worten des Senats die Umstände, die eine Neufestsetzung der Prämie inhaltlich rechtfertigen. Das OLG befasst im Anschluss mit der Frage, welche Anforderungen an die Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind. Hierzu weist der Senat zunächst darauf hin, dass es zunächst erforderlich ist, in der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zur Begründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen und/oder der Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln. Denn die Veränderung zumindest einer dieser beiden Rechnungsgrundlagen oder ggf. auch beider in § 155 VAG sei ausdrücklich als Voraussetzung für eine Prämienanpassung genannt. Die Benennung der Rechnungsgrundlage müsse auch bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen. Nicht ausreichend sei insofern, dass in Informationsblättern allgemein darauf hingewiesen werde, dass eine Veränderung einer der beiden genannten Rechnungsgrundlagen eine Prämienanpassung auslösen kann, ohne klar darauf hinzuweisen, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die in Rede stehende konkrete Prämienerhöhung maßgeblich war. Eine bloße Erläuterung der allgemeinen gesetzlichen und tariflichen Grundlagen reicht aus Sicht des OLG nicht aus. Hingegen sei die Angabe der konkreten Höhe der Veränderung oder des sog. auslösenden Faktors nicht erforderlich. Denn für die Prämienerhöhung genügt es nach Worten des Senats, dass die Veränderung den in den Versicherungsbedingungen oder im Gesetz festgelegten Schwellenwert über- oder unterschreitet. Bezogen auf den konkreten Fall stellt der Senat klar, dass die streitgegenständlichen Begründungen aus Mai 2010 und Mai 2014 nicht die nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden Mindestanforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe erfüllen. Aus dem Schreiben vom Mai 2010 ergebe sich nicht, welche der beiden in § 203 Abs. 2 VVG genannten Rechnungsgrundlagen sich in welcher Höhe verändert hat. Ebenso fehle eine – auf den konkreten Tarif bezogene – Klarstellung dazu, dass die Veränderung der „gestiegenen Ausgaben“ über der gesetzlich bzw. tariflich festgelegten Grenze liegt. Dies gelte auch in Bezug auf das Mitteilungsschreiben aus Mai 2014. Nach Auffassung des Senats konnten jedoch die unzureichenden Begründungen der Beklagten für die streitigen Prämienerhöhungen durch die Ausführungen in der Klageerwiderung vom 25.03.2019 geheilt werden. Mit Zustellung der Klageerwiderung am 03.04.2019 sei die Frist des § 203 Abs. 5 VVG in Lauf gesetzt, sodass die Prämienerhöhungen in den Tarifen mit einem nur unzureichenden Begründungsschreiben jeweils ab 01.06.2019 wirksam geworden seien. Die Heilung berühre indes die Begründetheit des bis einschließlich Dezember 2018 geltend gemachten Rückzahlungsbegehrens nicht. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung des Klägers nur zum Teil Erfolg hat.
Praxishinweis:
Mit dem vorliegenden Urteil nimmt das OLG Köln zu der umstrittenen Frage Stellung, was unter Mitteilung der „maßgeblichen Gründe“ im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG zu verstehen ist und welche Angaben die Mitteilung im Einzelnen enthalten muss. Dabei ist es nach Ansicht des OLG nicht erforderlich, dass in der Mitteilung konkret angegeben wird, welcher Schwellenwert über- oder unterschritten wurde, der gesetzliche Faktor gemäß § 155 VAG (Versicherungsleistungen über 10 % bzw. Sterbetafeln über 5 %) oder ein gegebenenfalls abweichender tariflich vereinbarter auslösender Faktor. Es reicht aus, wenn der Versicherungsnehmer dem Gesamtzusammenhang des Begründungsschreibens klar entnehmen kann, dass der Versicherer seine Erhöhung mit einer Über- oder Unterschreitung des geltenden Faktors begründet. Nicht erforderlich ist auch die Angabe des Namens und der Anschrift des Treuhänders in der Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG durch den Versicherungsnehmer. Nach Ansicht des OLG ist jedenfalls bei gestiegenen Leistungsausgaben ebenfalls nicht zwingend notwendig die Nennung der Veränderung weiterer Kriterien, die die Prämienhöhe zumindest auch noch beeinflusst haben, wie z.B. der Rechnungszins.
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