Passivlegitimation des vom Rechtsschutzversicherer beauftragten Schadensabwicklungsunternehmens
OLG Köln, 22.08.2017, 9 U 3/17
Nach § 126 Abs. 2 VVG können Ansprüche auf die Versicherungsleistung aus einem Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung, wenn ein selbständiges Schadensabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung beauftragt ist, nur gegen dieses geltend gemacht werden. Diese Vorschrift ist auch dann entsprechend anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche gegen das Schadensabwicklungsunternehmen wegen unberechtigter Versagung des Deckungsschutzes geltend macht.
Originalentscheidung in JURION aufrufen:
OLG Köln, 22.08.2017, 9 U 3/17
Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung durch deren Vermittler bei Abschluss einer den Grundstücksrechtsschutz nicht abdeckenden Rechtsschutzversicherung im Jahr 2005 im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen für aufgetretene Risse an seinem Einfamilienhaus in O im Jahr 2009 gegen die S AG bzw. deren Rechtsvorgängerin, die S2 AG. Der Kläger ist von Beruf Rechtsanwalt und zusammen mit seiner Ehefrau hälftiger Miteigentümer des Hauses Xstraße 9 in O. Die Beklagte ist ein Unternehmen eines international operierenden Versicherungs- und Finanzkonzerns und hat mit der Leistungsbearbeitung in Rechtsschutzfällen die B Rechtsschutz-Service GmbH – im folgenden B-Rechtsschutz – als selbständiges Schadenabwicklungsunternehmen i.S.d. § 126 Abs. 1 S. 2 VVG beauftragt. Im September 2005 schloss der Kläger bei der Beklagten neben anderen Versicherungen auch eine Rechtsschutzversicherung, beginnend ab 16.09.2005 ab, die im Versicherungsschein vom 16.09.2005 mit „Optimal-Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutz für Nichtselbständige gem. § 26 Absatz 9 ARB“ umschrieben war. Der Versicherungsschein enthielt den Hinweis: „Die Schadenregulierung erfolgt für die B Versicherungs-AG durch die B Rechtsschutz-Service GmbH“. Nicht abgedeckt war darin – vom Kläger zunächst unbemerkt – das Risiko „Grundstücksrechtsschutz“. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren uneingeschränkt weiterverfolgt.
Entscheidungsanalyse:
Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat geurteilt, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht. Der Senat befasst sich zunächst mit dem Klageantrag zu 1), der die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz aus der unterbliebenen Absicherung des Risikos „Grundrechtsschutz“ für entstandene Schäden betrifft. Nach Auffassung des Senats ist dieser Klageantrag unbegründet, weil die davon erfassten Ansprüche des Klägers zumindest teilweise verjährt sind bzw. soweit die Verjährungseinrede nicht eingreift, es hinsichtlich der nicht verjährten Ansprüche gemäß § 126 Abs. 2 VVG an der Passivlegitimation der Beklagten fehlt. Zur Begründung stellt das OLG zunächst klar, dass die vom Klageantrag zu 1) umfassten Ansprüche des Klägers insoweit verjährt sind, als sie nicht bereits in dem mit der Klageschrift vom 29.12.2015 gestellten Antrag enthalten sind. Soweit die mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Ansprüche des Klägers nicht verjährt sind, ist die Klage nach Ansicht des OLG trotztdem unbegründet, weil es insoweit an der Passivlegitimation der Beklagten fehlt. Aus Sicht des Senats hätte der Kläger stattdessen gemäß § 126 Abs. 2 VVG das von der Beklagten beauftragte Schadensabwicklungsunternehmen, die B Rechtsschutz, in Anspruch nehmen müssen. Nach Auffassung des Senats ist § 126 Abs. 2 VVG auf den mit der Klageschrift vom 29.12.2015 geltend gemachten Schadensersatzanspruch des Klägers wegen pflichtwidrig unterbliebener Absicherung des Grundstücksrechtsschutzes entsprechend anwendbar. Nach § 126 Abs. 2VVG können Ansprüche auf die Versicherungsleistung aus einem Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung, wenn ein selbständiges Schadensabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung beauftragt ist, nur gegen dieses geltend gemacht werden. Der Senat erläutert, dass § 126 Abs. 2 S. 1 VVG auch dann entsprechend anzuwenden ist, wenn der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche gegen das Schadensabwicklungsunternehmen wegen unberechtigter Versagung des Deckungsschutzes geltend macht. Dies begründet der Senat damit, dass wegen der wirtschaftlichen Identität der Rechtsfolge und der deswegen identischen Interessenlage wie beim vertraglichen Erfüllungsanspruch eine entsprechende Anwendung von § 126 VVG in einem Fall wie dem vorliegenden angezeigt ist. Da auch die anderen Anträge nach Ansicht des OLG keinen Erfolg haben, ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung keinen Erfolg hat.
Praxishinweis:
Mit dem vorliegenden Urteil folgt das OLG Köln der Ansicht des LG Oldenburg, wonach § 126 Abs. 2 S. 1 VVG auch dann entsprechend anzuwenden ist, wenn der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche gegen das Schadensabwicklungsunternehmen wegen unberechtigter Versagung des Deckungsschutzes geltend macht (vgl. LG Oldenburg, Urteil vom 07.11.2000 – 8 O 2594/00). Das OLG Köln hat hier die Revision gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 1. Alt. ZPO beschränkt auf die Frage zugelassen, ob § 126 Abs. 2 VVG nicht nur auf Ansprüche auf Versicherungsleistungen aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag anzuwenden ist, sondern über seinen Wortlaut hinaus in entsprechender Anwendung auch auf Ansprüche auf Schadensersatz wegen unberechtigter Verweigerung der Deckung bzw. – wie hier – auf Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers, die in der Rechtsfolge im Wege der Naturalrestitution auf die Gewährung von Deckungsschutz, die sog. Quasideckung, gerichtet sind.
Urteil des OLG Köln vom 22.08.2017, Az.: 9 U 3/17