Leistungen wegen behaupteter Berufsunfähigkeit
Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bei Forderung von Leistungen wegen behaupteter Berufsunfähigkeit
Für eine Klage gegen einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Leistungen wegen behaupteter Berufsunfähigkeit kann der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig sein, wenn die Voraussetzungen der Zuständigkeitsregelung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG nicht erfüllt sind. Der Versicherungsverein ist nicht als Sozialeinrichtung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne zu qualifizieren, wenn er nicht von einem Arbeitgeber errichtet worden ist und sein Vermögen kein von einem Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Sondervermögen ist.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
BGH, 03.04.2019, IV ZB 17/18
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Rechtsweg. Der Kläger begehrt mit seiner beim Landgericht erhobenen Klage von dem beklagten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Leistungen wegen behaupteter Berufsunfähigkeit. Der Kläger war im Jahr 1990 über seine damalige Arbeitgeberin bei dem Beklagten angemeldet worden. Er arbeitete sodann für verschiedene weitere Banken. Zum 30.06.2017 wurde er bei dem Beklagten abgemeldet. Seither ist seine Versicherung beim Beklagten beitragsfrei gestellt. Das Landgericht hat sich für zuständig erklärt. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Kammergericht den Beschluss des Landgerichts aufgehoben, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Beschlusses.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass gem. § 13 GVG der vom Kläger beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig ist, weil im konkreten Fall die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte für Arbeitssachen unter anderem ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern oder ihren Hinterbliebenen und Sozialeinrichtungen des privaten Rechts über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, soweit nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Nach Auffassung des Senats (und auch des BAG) liegt eine Sozialeinrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG dann vor, wenn eine soziale Leistung des Arbeitgebers nach allgemeinen Richtlinien aus einer abgesonderten, besonders zu verwaltenden Vermögensmasse erfolgt. Die soziale Leistung müsse sich danach als eine solche des Arbeitgebers darstellen. Der Senat stellt klar, dass eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach dieser Bestimmung nicht eröffnet wird, wenn die Einrichtung nicht eine besondere Nähe zum Arbeitsverhältnis aufweist. Nach Worten des BGH liegt außerdem keine Sozialeinrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG vor, wenn das Sondervermögen von mehreren Arbeitgebern errichtet wurde und diese nicht miteinander verbundenen Arbeitgeber Beiträge als Mitglieder der Einrichtung zahlen. Bezogen auf den konkreten Fall ist der Senat der Überzeugung, dass der Beklagte nicht als eine Sozialeinrichtung im hier maßgeblichen, zuständigkeitsrechtlichen Sinne zu qualifizieren ist, weil er nicht von einem Arbeitgeber errichtet worden ist. Auch sei sein Vermögen kein von einem Arbeitgeber des Klägers zur Verfügung gestelltes Sondervermögen. Der BGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rechtsbeschwerde Erfolg hat und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Beschlusses führt.
Praxishinweis:
Nach der hier vom BGH vertretenen Auffassung sind hingegen die Umstände, dass das Versicherungsverhältnis seine Entstehung dem früheren Arbeitsverhältnis des Klägers verdankt, die Mitgliedschaft beim beklagten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit branchenabhängig ist und die Mitglieder auf die Belange des Beklagten Einfluss ausüben können, für die Einordnung als Sozialeinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG nicht von entscheidender Bedeutung. Aus Sicht des BGH kommt es für die Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG auch nicht auf Unterschiede zwischen dem Beklagten und einem Versicherungsunternehmen, das Direktversicherungen (vgl. § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG) anbietet, oder darauf an, dass die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für den Kläger unter Kostengesichtspunkten vorteilhaft sein könnte.
Beschluss des BGH vom 03.04.2019, Az.: IV ZB 17/18
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