kirchliches Mitarbeitervertretungsrecht
Geltung der Regelungen des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts durch Inbezugnahme im Arbeitsvertrag
Die arbeitsvertragliche Verweisung auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen oder einen kirchlichen Tarifvertrag beinhaltet regelmäßig die Vereinbarung der Geltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts und der auf dessen Grundlage abgeschlossenen Dienstvereinbarungen, wenn das in Bezug genommene Regelwerk von der Anwendbarkeit des kollektiven kirchlichen Arbeitsrechts ausgeht.
Originalentscheidung in JURION aufrufen:
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Sonderzahlung. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag verweist auf den TV-EKBO sowie andere kirchliche Tarifverträge. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Klägerin deshalb eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2014 nach § 20 TV-EKBO zustand. Die Parteien streiten allerdings darüber, ob dieser Anspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, Abs. 3 MVG-AG i.V.m. § 2 der Dienstvereinbarung zur Abwendung einer wirtschaftlichen Notlage entfallen ist. Die Tarifvertragsparteien des TV-EKBO vereinbarten eine sogenannte Notlagenregelung. Danach können Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung gemeinsam bei den Tarifvertragsparteien eine Sonderregelung beantragen, die Maßnahmen enthält, die zur Konsolidierung der Einrichtung zur Abwendung einer wirtschaftlichen Notlage erforderlich werden. Konkret wurde am 26.09.2014 eine Dienstvereinbarung über eine entsprechende Anwendung der Notlagenregelung des TV EKBO vom 09.07.2008, hilfsweise auf der Grundlage von § 8 MVG-Anwendungsgesetz vereinbart, die zur Folge hatte, dass Jahressonderzahlungen für 2014 gemäß § 20 TV EKBO entfielen. Entsprechend der Dienstvereinbarung leistete die Beklagte für das Jahr 2014 keine Jahressonderzahlung. Das Arbeitsgericht hat die hierauf gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Revision der Beklagten hat vor dem 6. Senat allerdings wiederum Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Anspruch der Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, Abs. 3 MVG-AG i.V.m. § 2 der Dienstvereinbarung zur Abwendung einer wirtschaftlichen Notlage entfallen. Der 6. Senat nimmt zunächst umfassend zu der Frage Stellung, ob nach kirchengesetzlichen Regelungen geschlossene Dienstvereinbarungen eine normative Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten entfalten oder ob es zu ihrer Wirksamkeit einer vertraglichen Inbezugnahme bedarf. Letztendlich lässt der Senat die Beantwortung dieser Frage aber offen, weil die Dienstvereinbarung zur Abwendung einer wirtschaftlichen Notlage, welche gemäß § 8 MVG-AG den Entfall des Anspruchs auf die nach § 20 TV-EKBO für das Jahr 2014 geschuldete Jahressonderzahlung vorsieht, auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin bereits kraft vertraglicher Inbezugnahme Anwendung findet. Die vertragliche Inbezugnahme des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts ergibt sich aus der Inbezugnahme des TV-EKBO. Bezugnahmeklauseln sind grundsätzlich dahin auszulegen, dass sie dem kirchlichen Arbeitsrecht im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis umfassend Geltung verschaffen (vgl. BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 6 AZR 573/10). Typischerweise liegt es im Interesse beider Vertragsparteien, dass das kirchliche Arbeitsrecht durch eine dynamische Bezugnahmeklausel in seiner jeweiligen Fassung zur Anwendung gebracht wird. Dies gilt auch bezüglich der Anwendbarkeit des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts und der auf dessen Grundlage geschlossenen Dienstvereinbarungen. Erklärt sich ein Arbeitnehmer mit der Geltung eines spezifisch kirchlichen Regelwerks einverstanden, welches von der Anwendbarkeit des Mitarbeitervertretungsrechts ausgeht, muss ihm klar sein, dass der kirchliche Arbeitgeber mit der Vertragsgestaltung entsprechend seiner kirchenrechtlichen Verpflichtung auch das Mitarbeitervertretungsrecht zur Anwendung bringen will. Dabei kann eine Inbezugnahme der kollektiven Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts durch eine ausdrückliche vertragliche Absprache oder durch eine Kettenverweisung erfolgen. Bei Letzterer verweist der Arbeitsvertrag auf eine kirchliche Arbeitsrechtsregelung oder auf einen kirchlichen Tarifvertrag, wobei dieses Bezugnahmeobjekt seinerseits auf nach dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht geschlossene Dienstvereinbarungen verweist oder auf andere Weise die Anwendbarkeit des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts voraussetzt. Eine solche Kettenverweisung ist regelmäßig weder überraschend i.S.d. § 305c BGB noch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent. Sie entspricht vielmehr dem erkennbaren Ziel der Sicherung der Funktionalität der Mitarbeitervertretung. Eine solche dynamische Kettenverweisung ist hier vorgenommen worden. Selbst wenn keine zumindest konkludente Inbezugnahme des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts vorliegt, erweist sich ein mit einem kirchlichen Arbeitgeber geschlossener Arbeitsvertrag bezogen auf das kollektive kirchliche Arbeitsrecht in der Regel als lückenhaft. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist diese Lücke regelmäßig dahingehend zu schließen, dass die Geltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts und der nach dessen Maßgaben abgeschlossenen Dienstvereinbarungen als vereinbart anzusehen ist. Ein solches Verständnis entspricht der kirchengesetzlichen Verpflichtung der Arbeitgeberseite als kirchlicher Einrichtung und ihrem Interesse an einer einheitlichen Anwendung des kollektiven Rechts. Die Arbeitnehmerseite hat typischerweise ein Interesse, von der Mitarbeitervertretung repräsentiert zu werden.
Praxishinweis:
Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen und ihre Änderungen und Ergänzungen gelten nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als vom Arbeitgeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen und unterliegen einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB. Bei dieser Kontrolle ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) jedoch angemessen zu berücksichtigen, dass das Verfahren des Dritten Wegs mit paritätischer Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommission und Weisungsungebundenheit ihrer Mitglieder gewährleistet, dass die Arbeitgeberseite nicht einseitig ihre Interessen durchsetzen kann. Die Berücksichtigung dieser Besonderheit bewirkt, dass so zustande gekommene kirchliche Arbeitsvertragsregelungen grundsätzlich wie Tarifverträge nur daraufhin zu untersuchen sind, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen (BAG, Urteil vom 04.08.2016 – 6 AZR 129/15).
Urteil des BAG vom 22.03.2018, Az.: 6 AZR 835/16
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