Keine Rückzahlungsverpflichtung zu Lasten des Arbeitnehmers
Keine Rückzahlungsverpflichtung zu Lasten des Arbeitnehmers wegen Nichterfüllung von vereinbarten Arbeitszeiten oberhalb der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten
Ein Arbeitnehmer ist nicht zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt wegen Nichterfüllung von vereinbarten Arbeitszeiten verpflichtet, wenn diese Arbeitszeiten oberhalb der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten liegen. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung von Arbeitszeiten unter Verstoß gegen die gesetzliche Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG ist rechtsunwirksam.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer aufrufen:
AG Mecklenburg-Vorpommern, 20.03.2019, 3 Sa 155/18
Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um diverse Zahlungsansprüche. Der Beklagte betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Kläger war in der Zeit von März 2015 bis November 2016 beim Beklagten beschäftigt und hatte typische saisonal anfallenden Arbeiten zu erledigen. Der schriftliche Arbeitsvertrag beinhaltet ein monatliches Fixgehalt in Höhe von 2.070,00 € brutto. Eine Arbeitszeit ist im Arbeitsvertrag nicht geregelt. Vielmehr heißt es dort in § 4: „Die Arbeitszeit richtet sich nach den saisonbedingten Gegebenheiten“. Seit Juli 2015 hat der Kläger ein monatliches Festgehalt in Höhe von 2.250,00 € brutto erhalten. Der Beklagte behauptet mit dieser Entgelterhöhung sei eine Verpflichtung des Klägers verbunden gewesen, 250 Stunden monatlich anstatt zuvor 230 Stunden zu arbeiten. Weil der Kläger die angeblich vereinbarte Arbeitszeit nicht erbracht hatte, zahlte der Beklagte nicht das vereinbarte Bruttomonatsgehalt und forderte später widerklagend eine Überzahlung zurück. Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Differenzvergütung stattgegeben und die Widerklage des Beklagten abgewiesen. Die Berufung des Beklagten hat vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Beklagte hat an den Kläger gemäß § 611 BGB i.V.m. mit dem Arbeitsvertrag zunächst das vereinbarte Festgehalt für die Monate Oktober und November 2016 zu zahlen, denn die arbeitsvertragliche Vereinbarung von Arbeitszeiten unter Verstoß gegen die gesetzliche Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG ist rechtsunwirksam. Nach § 3 ArbZG beträgt die gesetzliche Höchstarbeitszeit in der Woche sechs mal acht Stunden, also 48 h. Daraus errechnet sich eine maximale legale monatliche Höchstarbeitszeit im Umfang von 208 h (48 h x 13 Wochen ./. 3 Monate). Die vom Beklagten behauptete Stundenabrede wäre demnach, wenn sie denn tatsächlich getroffen worden wäre, gesetzeswidrig. Die dadurch entstehende Lücke im Arbeitsvertrag ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, was zu der verkehrsüblichen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers im Umfange von 40 h/Woche führt. Aus der Art und Weise, wie die Parteien den Vertrag gelebt haben, ergeben sich starke Indizien für die gemeinsame Vorstellung der Parteien, dass der Kläger für sein Entgelt 40 h/Woche arbeiten musste, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern. Das ergibt sich aus den Stundenaufstellungen. Ausfalltage wegen Feiertag, Urlaub oder Krankheit sind dort mit acht Stunden berücksichtigt worden, was darauf hindeutet, dass die Parteien von einem Achtstundentag für die Normalleistung des Arbeitnehmers ausgegangen sind. Diese Indizien werden gestützt durch die Verkehrsüblichkeit der 40-Stunden-Woche im Gerichtsbezirk des LAG Mecklenburg-Vorpommern. Nach § 3 Abs. 1 ArbZG ist der Achtstundentag der Regelarbeitstag. Das ergibt bei einer Fünftagewoche 40 h Arbeitspflicht pro Woche. Dieses Ausmaß der Arbeitspflicht als Regelmaß ergibt sich auch branchenübergreifend aus einer Vielzahl von Tarifverträgen im Tarifgebiert Ost, angefangen beim öffentlichen Dienst, über die Ernährungsindustrie bis hin zum Handel. Der Beklagte ist gemäß § 611 BGB i.V.m. den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien verpflichtet, neben dem monatlichen Festgehalt die Stunden – gemessen an diesem Festgehalt – zu vergüten, die über die regelmäßige Arbeitszeit von 40 h wöchentlich hinausging. Mit der gleichen Begründung hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern die Widerklage des Beklagten abgewiesen.
Praxishinweis:
Selbst wenn man – abermals zu Gunsten des Beklagten – unterstellen würde, der Beklagte könnte sich auf die Sonderregelungen für die Landwirtschaft nach § 7 Abs. 2 ArbZG oder § 7 Abs. 5 ArbZG berufen, würde das am Ergebnis nichts ändern, da in diesen Fällen nach § 7 Abs. 8 ArbZG über den 12-monatigen Ausgleichszeitraum betrachtet, die 48 h/Woche eingehalten werden müsste. Das wäre hier, legt man die der Widerklage zu Grunde liegende Auslegung des Arbeitsvertrages zu Grunde, ersichtlich nicht der Fall. Der Beklagte trägt zwar schriftsätzlich pauschal vor, die hohen Arbeitszeiten im Sommer würden durch geringere Arbeitszeiten im Winter ausgeglichen. Aus den zur Akte gereichten Stundenaufstellungen beider Parteien lässt sich allerdings ein solcher Ausgleich nicht nachvollziehen.
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