Herausgabeanspruch vom Rechtsschutz gegen Rechtsanwaltssozietät
Herausgabeanspruch vom Rechtsschutz gegen Rechtsanwaltssozietät
Hat der Rechtsschutzversicherer Gerichtskosten gezahlt und erstattet die Gerichtskasse unverbrauchte Gerichtskosten an den Rechtsanwalt, geht der Anspruch des rechtsschutzversicherten Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt, alles herauszugeben, was er aus der anwaltlichen Geschäftsbesorgung erlangt, insoweit auf den Rechtsschutzversicherer über.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
BGH, 10.06.2021, IX ZR 76/20
Sachverhalt:
Die Klägerin ist der Rechtsschutzversicherer der Eheleute K. (Versicherungsnehmer). Die Versicherungsnehmer mandatierten die Beklagte zu 1, eine Rechtsanwaltssozietät, für die der Beklagte zu 2 tätig wurde, mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine Bank. Die Klägerin lehnte zunächst die Erteilung einer Deckungszusage ab, erteilte diese dann aber nur für das Klageverfahren in erster Instanz und verweigerte sie für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung. Auf eine Rechnung der Beklagten vom 16.09.2015 zahlten die Versicherungsnehmer die Gebühren für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit an die Beklagte zu 1. Der Rechtsstreit der Versicherungsnehmer gegen die Bank endete mit einem Vergleich vom 12.07.2017. Darin wurden die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben. Zudem hatte die Bank auf die außergerichtlichen Kosten der Versicherungsnehmer an die Versicherungsnehmer 2.042,51 Euro zu zahlen. Das Gericht überwies aufgrund einer Kostenrechnung vom 18.07.2017 an die Beklagte zu 1 als Prozessbevollmächtigte der Versicherungsnehmer unverbrauchte Gerichtskosten in Höhe von 2.772 Euro. Die Beklagten teilten der Klägerin diese Rückzahlung und die Zahlung der hälftigen Verfahrensgebühr durch die Bank in Höhe von 873 Euro mit. Von dem Gesamtbetrag von 3.645 Euro seien 50 % der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit und die Kosten für die Einholung der Deckungszusage in Höhe von 958,19 Euro abzuziehen. Den Restbetrag in Höhe von 644,29 Euro überwiesen die Beklagten an die Klägerin. Nachdem die Klägerin die Beklagten zur Auskehr der einbehaltenen und verrechneten Gerichtskosten aufgefordert hatte, erklärten die Beklagten namens und in Vollmacht der Versicherungsnehmer die Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch für die von diesen an die Beklagten gezahlten Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit und der Einholung der Deckungszusage. Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 2.127,71 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision wenden sich die Beklagten gegen ihre Verurteilung.
Entscheidungsanalyse:
Der IX. Zivilsenat des BGH hat geurteilt, dass der klageführenden Rechtsschutzversicherung ein Anspruch gegen die beklagte Rechtsanwaltssozietät (Beklagte zu 1) zusteht, die Erstattung der Gerichtskasse in Höhe von 2.127,71 Euro an sie auszukehren. Der Senat erläutert, dass der Anspruch der Versicherungsnehmer gegen die Beklagte zu 1 auf die Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangen ist. Zur Begründung weist der Senat zunächst darauf hin, dass die Rechtsschutzversicherung eine Schadensversicherung ist, auf die § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG anwendbar ist. Die Klägerin habe hier ihren Versicherungsnehmern im Sinne des § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG in Höhe von insgesamt 13.532,59 Euro einen Schaden ersetzt, weil sie 4.518 Euro für Gerichtskosten und 9.024,59 Euro für die Vergütung der gerichtlichen Tätigkeit der Beklagten aufgewendet habe. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass sich die Gerichtskosten später auf 1.746 Euro ermäßigt hätten. Der BGH weist außerdem darauf hin, dass die Gerichtskasse an die Beklagte zu 1 als Prozessbevollmächtigte der Versicherungsnehmer unverbrauchte Gerichtskosten in Höhe von 2.772 Euro überwiesen hat. Dies habe einen Auszahlungsanspruch der Versicherungsnehmer gegen die Beklagte zu 1 aus §§ 675, 667 BGB begründet. Nach Auffassung des Senats sind nämlich die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 667 BGB erfüllt, wenn die Gerichtskasse – wie hier im Fall – die nicht verbrauchten Gerichtskosten gemäß § 29 Abs. 4 KostVfG an den Prozessbevollmächtigten des Kostenschuldners erstattet. Der BGH stellt außerdem klar, dass der Anspruch der Versicherungsnehmer gegen die Beklagte zu 1, aus der Geschäftsführung erlangte Vorteile zu erstatten, hinsichtlich der erstatteten Gerichtskosten einen Ersatzanspruch im Sinne des § 86 Abs. 1 VVG darstellt. Wenn die Gerichtskasse die nicht verbrauchten Gerichtskosten an den Prozessbevollmächtigten erstattet, stellt der dadurch entstehende Herausgabeanspruch des Versicherungsnehmers aus § 667 BGB aus Sicht des Senats ebenfalls einen Ersatzanspruch im Sinne von § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG dar und geht auf den Versicherer über. Aus Sicht des Senats können sich die Beklagten dabei sich nicht auf ein Quotenvorrecht der Versicherungsnehmer berufen. Für Erstattungsansprüche aufgrund überzahlter Gerichtskosten bestehe in der Rechtsschutzversicherung kein Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers. Der BGH hat außerdem entschieden, dass der Beklagte zu 2 der Klägerin gegenüber als Sozius der Beklagten zu 1 entsprechend § 128, 130 HGB haftet. Die Revision habe daher im Ergebnis keinen Erfolg.
Praxishinweis:
Der BGH macht in diesem Urteil deutlich, dass für Erstattungsansprüche aufgrund überzahlter Gerichtskosten in der Rechtsschutzversicherung kein Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers besteht. Er nimmt damit zu einer umstrittenen Frage Stellung und begründet dies damit, dass die Wertungsgrundlage des Quotenvorrechts des Versicherungsnehmers für Erstattungsansprüche wegen überzahlter Gerichtskosten nicht gilt, da diese nicht dazu dienen, einen auch nach Abschluss der Rechtsverfolgung noch bestehenden Schaden auszugleichen.
Wenn Sie Fragen zu demHerausgabeanspruch eines Rechtsschutzversicherers gegenüber einer Rechtsanwaltssozietät haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.