Fristlose Kündigung bei respektlosem Umgang mit Vorgesetzten
Fristlose Kündigung bei respektlosem Umgang mit Vorgesetzten
Eine unsachliche, verbale Auseinandersetzung stellt einen Verstoß gegen die gegenseitige Rücksichtnahmepflicht im Arbeitsverhältnis dar. Sie führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber bis zur ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar ist.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LAG Berlin-Brandenburg, 17.12.2019, 7 TaBV 1479/19
Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats. Das Betriebsratsmitglied ist seit sieben Jahren bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Die Arbeitgeberin hatte den Arbeitnehmer bereits mit Schreiben vom 30.11.2017 wegen „respektlosen Verhalten gegenüber Vorgesetzten“ abgemahnt als es am 16.11.2018 es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Betriebsratsmitglied und einem Abteilungsleiter über den Umgang mit einer Mitarbeiterin, die sich gerade zuvor geweigert hatte, eine Maschine zu starten, um Mitarbeiter einer externen Reinigungsfirma nicht zu gefährden, kam. Die Arbeitgeberin wirft dem Betriebsratsmitglied in diesem Zusammenhang insbesondere vor, er sei gegenüber seinem Vorgesetzten respektlos, in einer dessen Vorgesetztenstellung untergrabenden und beleidigenden Art und Weise aufgetreten. Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin gegenüber dem Betriebsrat, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds zu erteilen. Dieser verweigerte die Zustimmung. Die Arbeitgeberin beantragte die Zustimmungsersetzung. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat vor dem LAG Berlin-Brandenburg ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds war nicht gemäß § 103 BetrVG zu ersetzen, weil ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB nicht vorlag. Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urteil vom 18.12.2014 – 2 AZR 265/14). Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG, Urteil vom 31.07.2014 – 2 AZR 505/13). Eine in diesem Sinne erhebliche Pflichtverletzung stellen u.a. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar. Es kann einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht darstellen, wenn ein Mitarbeiter den Vorgesetzten in Gegenwart anderer Mitarbeiter anbrüllt, mit einem respektlosen Umgang lächerlich macht, seine Fachkompetenz angezweifelt und ihn auslacht. Denn dann steht nicht mehr die sachliche Kritik im Vordergrund, sondern die Herabwürdigung der Person des Vorgesetzten für die es keine sachliche Rechtfertigung gibt. Ein solches Verhalten konnte das LAG Berlin-Brandenburg in diesem Fall aber nicht feststellen. So enthält der Vortrag der Arbeitgeberin mit den Begriffen „schamlos“ und „respektlos“ Wertungen, die ihrerseits nicht mit Tatsachen unterlegt wurden und die auch gegebenenfalls unterschiedlich bewertet werden. Zum anderen stellt das von der Arbeitgeberin vorgetragene Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung seines Kontextes keine so schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass es der Arbeitgeberin unzumutbar wäre, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Der von der Arbeitgeberin geschilderte Streit zwischen den Beteiligten erreichte jedenfalls nicht ein Ausmaß, dass eine weitere Zusammenarbeit unmöglich wäre. Die Äußerungen enthalten keine Beleidigungen und halten sich letztlich in einem Bereich, der auch im Rahmen betrieblicher Auseinandersetzungen von der auch in diesem Bereich gewährleisteten Meinungsfreiheit des Art. 5 GG (noch) abgedeckt ist.
Praxishinweis:
Das LAG Berlin-Brandenburg hat hier bereits eine Pflichtverletzung nicht feststellen können. Wäre dies der Fall gewesen, hätte eine abschließende Interessenabwägung stattfinden müssen, bei der folgende Umstände eine Rolle spielen können: Ein grundsätzlich rauer betrieblicher oder branchenüblicher Umgangston, Bildungsgrad und psychischer Zustand des Arbeitnehmers, die Gesprächssituation, der Grad der Ehrverletzung, Anlass der Beleidigung, Provokation durch den Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen sowie Ort und Zeitpunkt des Geschehens.
Wenn Sie Fragen über eine fristlose Kündigung bei respektlosem Umgang mit Vorgesetzten haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.