Auslegung einer Mangelbeseitigungsnebenkosten-Klausel
Auslegung einer Mangelbeseitigungsnebenkosten-Klausel eines Betriebshaftpflichtversicherers
Eine Mangelbeseitigungsnebenkosten-Klausel kann dahingehend auszulegen sein, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Betriebshaftpflicht-Versicherung für Generalunternehmer mitversicherte Folgeschäden jedenfalls auch solche Mangelschäden an einem Gewerk innerhalb seiner Werkleistung sind, die durch einen Mangel in einem anderen, damit nicht in funktionalem Zusammenhang stehenden Gewerk des Unternehmers nach dem Zeitpunkt der Abnahme bzw. Abnahmereife hervorgerufen wurden. Nach dem Wortlaut der Klausel sind mitversichert Schäden, die als Folge des mangelhaften Werkes auftreten.
Sachverhalt:
Die Klägerin beansprucht die Gewährung von Versicherungsschutz im Rahmen eines mit der Beklagten abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherungsvertrages. Die Klägerin wurde als Generalunternehmerin von der Stadt S mit der schlüsselfertigen Errichtung einer Asylbewerberunterkunft beauftragt. Das Bauvorhaben wurde von der Klägerin bis Juli 2017 fertig gestellt. Seit diesem Zeitpunkt wird das errichtete Gebäude von der Stadt S für die Unterbringung von Asylbewerbern genutzt. Mit Schreiben des B Versicherungs-Verband (BV) vom 27.09.2018 wurde die Klägerin darüber informiert, dass sich am 27.01.2018 ein Leitungswasserschaden innerhalb des Gebäudes ereignet hat, wobei es zu bestimmungswidrigem Wasseraustritt im Boden der Küche der Wohnung 22 gekommen sei. Die daraufhin veranlasste Überprüfung/Notreparatur durch die X GmbH habe ergeben, dass der Wasseraustritt ursächlich auf eine nicht hinreichende Verpressung der Pressmuffe der betroffenen Wasserleitung zurückzuführen gewesen sei. Die nachfolgende Sanierung des Wasserschadens löste demnach Kosten i.H.v. 18.946,08 Euro aus, die vom BV als zuständigem Leitungswasserversicherer der Stadt S reguliert wurden. Der BV leitete Ansprüche der Stadt S gegen die Klägerin gemäß § 86 VVG auf sich über und forderte die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 27.09.2018 zur Zahlung i.H.v. 18.946,08 Euro auf. Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Betriebshaftpflicht- und Umwelthaftpflicht-Basisversicherung einschließlich Umwelthaftpflicht-Regressversicherung für Generalunternehmer für Wohn- und Gewerbebau sowie für Heizungs-, Gas-, Wasser- und Lüftungsinstallateure. Die Klägerin zeigte der Beklagten den Schaden an und forderte die Beklagte zur Gewährung von Versicherungsschutz auf. Mit Schreiben vom 06.11.2018 und vom 28.01.2019 lehnte die Beklagte die Schadensregulierung ab. Das LG hat mit Urteil vom 08.01.2020 unter Abweisung der Klage im Übrigen festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Versicherungsschutz zu gewähren für die Regulierung der Positionen „Eigenarbeiten“ (120,00 Euro) und „T, Bodenleger“ (419,20 Euro), und dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle etwaigen künftigen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Verweigerung des Versicherungsschutzes bezüglich dieser beiden Positionen entstehen werden. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin.
Entscheidungsanalyse:
Der 12. Zivilsenat des OLG Karlsruhe hat geurteilt, dass die Klägerin von der Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag in Verbindung mit Z. 5.03 der Bauunternehmerpolice auch Deckungsschutz für die Inanspruchnahme wegen Kosten der Trocknung durch die P GmbH i.H.v. 13.359,54 Euro brutto und diesbezüglicher Stromkosten i.H.v. 4.870,33 Euro verlangen kann. Nach der Mangelbeseitigungsnebenkosten-Klausel ist mitversichert die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus Schäden, die als Folge eines mangelhaften Werkes auftreten. Der Senat legt diese Klausel dahingehend aus, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Betriebshaftpflicht-Versicherung für Generalunternehmer mitversicherte Folgeschäden jedenfalls auch solche Mangelschäden an einem Gewerk innerhalb seiner Werkleistung sind, die durch einen Mangel in einem anderen, damit nicht in funktionalem Zusammenhang stehenden Gewerk des Unternehmers nach dem Zeitpunkt der Abnahme bzw. Abnahmereife hervorgerufen wurden. Der Senat erläutert, dass der Wortlaut der Klausel eine Begrenzung des Versicherungsschutzes auf Mangelfolgeschäden oder Schäden neben der Leistung nicht vorsieht. Die Klausel setze weder einen Schaden an den Rechtsgütern Dritter noch einen Schaden außerhalb der Werkleistung des Versicherungsnehmers voraus. Der verständige Versicherungsnehmer werde den Begriff des Folgeschadens im Sinne der Klausel von dem (Vermögens-)Schaden abgrenzen, den er bereits mit der Erbringung einer mangelhaften Bauleistung – hier einer unzureichenden Verpressung der Pressmuffe – gesetzt habe. Folgeschaden kann damit aus Sicht des OLG auch (irgendein) Schaden sein, der infolge einer mangelhaften Leistung nach Abnahme oder Fertigstellung in einem anderen Gewerk verursacht wird. Dieses Verständnis gilt nach Ansicht des Senats jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall einer Betriebshaftpflichtversicherung für Generalunternehmer für Wohn- und Gewerbebau, wenn die beiden Gewerke nicht in einem funktionalen Zusammenhang stehen. Bezogen auf den konkreten Fall stellt der Senat fest, dass es sich bei dem Wasserschaden in der Hohlraumdämmschicht um einen Folgeschaden handelt, der in einem anderen Gewerk als der mangelhaft erbrachten Sanitärleistung, also der nicht hinreichenden Verpressung der Pressmuffe einer Wasserleitung, nach Abnahme auftrat. Die Verlegung der Wasserleitung als Teil des Gewerks „Sanitär“ und die Einbringung einer Hohlraumdämmung als Teil des Gewerks „Wärmedämmung“ stünden nicht in einem funktionalen Zusammenhang. Sie unterfielen unterschiedlichen Abschnitten der Bauleistung und bauten nicht aufeinander auf. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung der Klägerin überwiegend Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach der hier vom OLG Karlsruhe vertretenen Auffassung hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer nach § 280 Abs. 1 BGB zwar unter Umständen auch solche Schäden zu ersetzen, die dieser dadurch erleidet, dass der Versicherer einen Deckungsschutz aus der Haftpflichtversicherung zu Unrecht verweigert hat (vgl. zur Haftung einer Rechtsschutzversicherung bei unberechtigter Ablehnung einer Deckungszusage BGH, Urteil vom 15.03.2006 – IV ZR 4/05; BGH, Beschluss vom 26.01.2000 – IV ZR 281/99). Die Feststellung der Schadensersatzpflicht setzt jedoch die Möglichkeit des Schadenseintritts voraus. Bei reinen Vermögensschäden hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage darüber hinaus von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines auf die Pflichtverletzung zurückgehenden Schadenseintritts ab (vgl. BGH, Urteil vom 15.08.2019 – III ZR 205/17).
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
OLG Karlsruhe, 16.07.2020, 12 U 22/20
Wenn Sie Fragen zu der Auslegung einer Mangelbeseitigungsnebenkosten-Klausel eines Betriebshaftpflichtversicherers haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.