Anwendbarkeit einer Ausschlussfrist auf eine reine Berufsunfähigkeitsversicherung
Anwendbarkeit einer Ausschlussfrist auf eine reine Berufsunfähigkeitsversicherung
Bei unter Geltung des § 5a VVG a.F. im Policenmodell abgeschlossenen reinen Berufsunfähigkeitsversicherungen erlosch auch bei fehlerhafter Widerspruchsbelehrung das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. Ein „ewiges“ Widerspruchsrecht besteht nicht.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
OLG Karlsruhe, 29.09.2020, 12 U 6/19
Sachverhalt:
Der Kläger streitet mit dem beklagten Versicherer über Ansprüche nach Widerspruch gegen eine Berufsunfähigkeitsversicherung aufgrund folgenden Sachverhalts: Mit Versicherungsbeginn am 01.12.1997 schlossen die Parteien eine Berufsunfähigkeitsversicherung nach Maßgabe des Versicherungsscheins vom 18.11.1997, der folgende Widerspruchsbelehrung enthält: „Nach § 5a VVG steht ihnen ein 14-tägiges Widerspruchsrecht zu. Die Versicherung gilt auf Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation abgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt dieser Unterlagen widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung.“ Die Versicherung war über die M Finanzdienstleistungs AG als Versicherungsmaklerin im Rahmen des „M Vorsorgemanagements“ beantragt wurden. Dieses „M Vorsorgemanagement“ umfasste auch den Abschluss von zwei kapitalbildenden Lebensversicherungen. In der Folge wurde die Versicherung durchgeführt. Mit Schreiben vom 11.07.2017 erklärte der Kläger den Widerspruch, den die Beklagte mit Schreiben vom 18.07.2017 zurückwies. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Widerspruch sei wirksam. Die Widerspruchsbelehrung sei nicht ordnungsgemäß. Mit Urteil vom 18.12.2018 hat das LG die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsanalyse:
Der 12. Zivilsenat des OLG Karlsruhe hat geurteilt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückgewähr der vom ihm geleisteten Prämien einschließlich der gezogenen Nutzungen zusteht, weil die beklagte Versicherung diese aufgrund des Versicherungsvertrags behalten darf. Dessen Wirksamkeit werde durch den Widerspruch des Klägers mit Schreiben vom 11.07.2017 nicht berührt, weil das Widerspruchsrecht in diesem Zeitpunkt bereits erloschen sei. Maßstab für das Erlöschen des Widerspruchsrechts ist hier nach Worten des Senats § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG in der bis zum 31.07.2001 gültigen Fassung vom 21.07.1994, da der Vertrag Ende 1997 im Policenmodell geschlossen wurde. Danach erlischt das Recht zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. Die Vorschrift sei auch uneingeschränkt anwendbar. Einschränkungen bestünden lediglich im Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, von dem die vorliegende Berufsunfähigkeitsversicherung jedoch nicht erfasst werde. Die Ausschlussfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gilt nämlich nach Worten des OLG für alle Versicherungsarten, die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfasst werden (BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11). Danach sei die Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. allein im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung ausgeschlossen. Bezogen auf den konkreten Fall stellt der Senat klar, dass § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. hier ohne Einschränkung gilt, weil eine reine Berufsunfähigkeitsversicherung vorliegt, die nicht als Zusatzversicherung zu einer Lebensversicherung abgeschlossen worden ist. Eine Altersvorsorgeleistung beinhalte die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus der Beantragung der Berufsunfähigkeitsversicherung als einen von mehreren „Bausteinen“ im Rahmen des „M Vorsorgemanagements“. Aus Sicht des OLG sind im konkreten Fall nämlichk keine Umstände ersichtlich, aus denen sich auf eine rechtliche Abhängigkeit der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung vom Fortbestand der fondsgebundenen und der kapitalbildenden Lebenversicherung schließen ließe. Nach Auffassung des Senats liegen somit die Voraussetzungen des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. hier vor, da die Ausschlussfrist von einem Jahr nach Zahlung der ersten Prämie schon Ende 1998 abgelaufen war. Die Berufung habe daher keinen Erfolg.
Praxishinweis:
Nach der hier vom OLG Karlsruhe vertretenen Auffassung ist durch den klar definierten Anwendungsbereich in Art. 1 Nr. 1 c) der Richtlinie 79/267/EWG und durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u.a. BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11) eindeutig, dass sich der Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Lebensversicherungsrichtlinie auf Lebens- und Rentenversicherung sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung beschränkt. Aus Sicht des OLG ergeben sich aus Art. 1 Nr. 1 c) der Richtlinie 79/267/EWG keine Anhaltspunkte für eine Anwendbarkeit auf rechtlich selbständige Berufsunfähigkeitsversicherungen, die im Rahmen eines einheitlichen „Vorsorgemanagements“ aufgrund einer einheitlichen Bedarfsanalyse gleichzeitig mit einer Lebensversicherung abgeschlossen werden. Nach Ansicht des OLG liegen daher hier keine Gründe für die Zulassung der Revision vor.
Wenn Sie Fragen zum Thema Anwendbarkeit einer Ausschlussfrist auf eine reine Berufsunfähigkeitsversicherung haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.