Abrechnung eines Fahrzeugschadens
Abrechnung eines unfallbedingt entstandenen Fahrzeugschadens auf Neuwagenbasis.
Auch unter Berücksichtigung der weiteren technischen Entwicklung und nach heutiger wirtschaftlicher Verkehrsanschauung kann ein Fahrzeug, das zum Unfallzeitpunkt bereits knapp 3.300 km gefahren wurde und bereits über sechs Wochen zugelassen war, jedenfalls nicht mehr als Neuwagen angesehen werden, bei dem ausnahmsweise im Falle einer erheblichen Beschädigung bei der Berechnung des ersatzfähigen Schadens auch der „Schmelz der Neuwertigkeit“ zugunsten des Geschädigten zu Buche schlagen kann.
Originalentscheidung auf JURION aufrufen:
OLG Hamm, 29.05.2018, 9 U 5/18
Sachverhalt:
Die klagende Gesellschaft verlangt vom beklagten Versicherer weiteren Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 05.08.2016 auf der BAB 2 in der Nähe von Herford. An dem Unfall waren der Pkw Porsche Macan der Klägerin und ein Fiat Punto eines Versicherungsnehmers der Beklagten beteiligt. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass die Beklagte zu 100 % für den Unfallschaden aufzukommen hat. Der von der Klägerin für 92.400 Euro erworbene Porsche war am 22.06.2016 erstmals zugelassen worden und hatte zum Unfallzeitpunkt eine Laufleistung von 3.291 km. Auf der Grundlage eines Schadensgutachtens regulierte die Beklagte den Fahrzeugschaden ausgehend von einem – bezogen auf den Zeitpunkt des Unfalls – Netto-Wiederbeschaffungswert in Höhe von ca. 80.250 Euro und einem Netto-Restwert in Höhe von ca. 55.090 Euro mit einem Betrag von ca. 25.160 Euro. Die Klägerin veräußerte das Unfallfahrzeug zu dem im Gutachten ermittelten Netto-Restwert und erwarb einen neuen PKW gleichen Typs zu einem Kaufpreis von ca. 92.800 Euro. Mit ihrer Klage hatte die Klägerin von der Beklagten die Differenz zwischen dem von der Beklagten zugrunde gelegten Wiederbeschaffungswert und dem von ihr für den Unfallwagen ausgegebenen Kaufpreis in Höhe von ca. 12.150 Euro als weiteren Schaden ersetzt verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Entscheidungsanalyse:
Das OLG Hamm hat entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zusteht. Nach Auffassung des zuständigen Senats ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin den ihr unfallbedingt entstandenen Fahrzeugschaden nicht auf Neuwagenbasis abrechnen kann. Der Senat erläutert, dass auch unter Berücksichtigung der weiteren technischen Entwicklung und nach heutiger wirtschaftlicher Verkehrsanschauung ein Fahrzeug, das zum Unfallzeitpunkt bereits knapp 3.300 km gefahren wurde und bereits über sechs Wochen zugelassen war, jedenfalls nicht mehr als Neuwagen angesehen werden kann, bei dem ausnahmsweise im Falle einer erheblichen Beschädigung bei der Berechnung des ersatzfähigen Schadens auch der „Schmelz der Neuwertigkeit“ zugunsten des Geschädigten zu Buche schlagen kann. Dies begründet das OLG auch mit einem Blick auf den Markt von sehr jungen Gebrauchtwagen bzw. Fahrzeugen mit Tageszulassung auch im hochpreisigen Fahrzeugsegment. Die Klägerin sei hier bereits auf Wiederbeschaffungsaufwandsbasis entschädigt worden und habe also im Wege des Schadensersatzes die Mittel zur Beschaffung eines mit dem beschädigten Fahrzeug vergleichbaren unfallfreien Fahrzeugs erhalten. Aus Sicht des Senats besteht kein Grund dafür, warum der Klägerin hier darüber hinaus ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anschaffung eines höherwertigen Neufahrzeuges zustehen sollte, zumal es sich vorliegend um ein Firmenfahrzeug handelt. Die Berufung habe daher im Ergebnis keinen Erfolg.
Praxishinweis:
Nach Auffassung des OLG Hamm kam im konkreten Fall auch keine fiktive Abrechnung auf Basis der (den Wiederbeschaffungsaufwand) übersteigenden Reparaturkosten zzgl. Wertminderung in Betracht. Eine derartige fiktive Schadensabrechnung scheidet nämlich nach Ansicht des OLG aus, wenn der Geschädigte das verunfallte und nicht mehr fahrbereite Fahrzeug in keiner Weise repariert und dementsprechend auch nicht weiternutzt, sondern unrepariert veräußert.
Beschluss des OLG Hamm vom 29.05.2018, Az.: 9 U 5/18
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