Prozessbetrug als Grund für eine fristlose Kündigung
Prozessbetrug als Grund für eine fristlose Kündigung
Eine fristlose Kündigung ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und dem Kündigenden ein Festhalten am Arbeitsverhältnis auch nur für den Lauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Ein bewusst falscher Tatsachenvortrag des Arbeitnehmers im Arbeitsgerichtsprozess, um eine günstige Entscheidung des Gerichts zu erreichen, ist ein gravierender Pflichtenverstoß und kann die Weiterbeschäftigung unzumutbar machen.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LAG Nürnberg, 22.01.2020, 6 Sa 297/19
Sachverhalt:
Streitgegenständlich ist die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlich ausgesprochenen Kündigung. Der Kläger war seit April 2017 bei der Beklagten als Arbeitnehmer für Hausmeistertätigkeiten sowie Gartenarbeiten in Teilzeit beschäftigt. Mit Schreiben vom 09.08.2018, dem Kläger zugegangen am 10.08.2018, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin. In einem vorhergehenden Verfahren beim Arbeitsgericht, in dem der Kläger die Feststellung begehrte, dass er nicht verpflichtet sei, Toilettenreinigungstätigkeiten zu verrichten, ließ der Kläger u.a. vortragen: „Der Kläger wurde in der Vergangenheit überhälftig für Toilettenreinigungsarbeiten eingesetzt …“. Diesen Satz wertete die Beklagte als Prozessbetrug und sprach die streitgegenständliche Kündigung aus. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen, da sich der Sachvortrag des Klägers im vorangegangenen Verfahren nachweislich als falsch erwiesen hat. Die Berufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die fristlose Kündigung ist wirksam. Der Vortrag des Klägers, er sei „überhälftig für Toilettenreinigungsarbeiten eingesetzt“, entspricht auch nach Überzeugung des LAG Nürnberg nicht der Wahrheit. Den Wahrheitsgehalt einer solchen Aussage hat der Kläger in keiner Weise belegt. Der Arbeitnehmer verletzt massiv eine nebenvertragliche Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis, § 241 Abs. 2 BGB, wenn er im Rechtsstreit gegenüber seinem Arbeitgeber bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, durch wahrheitsgemäße Angaben einen Anspruch nicht durchsetzen zu können. Es ist zwar zu beachten, dass nicht jede objektiv wahrheitswidrige Erklärung einer Partei in einem Rechtsstreit von vorneherein dahingehend zu bewerten ist, dass ein Vertragspartner sich damit auf unredliche Weise auf Kosten des anderen Vertragspartners rechtliche Vorteile verschaffen will. Hierzu gehört auch noch, dass die objektiv wahrheitswidrige Erklärung auch von dem Bewusstsein getragen ist, dass mit ihr das Gericht zu einer positiven Entscheidung zugunsten des Erklärenden bewegt werden kann. Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gerade gegen die Anordnung von reinen Toilettenreinigungstätigkeiten und hat bewusst unwahr vorgetragen, um bei Gericht den Eindruck zu erwecken, dass solches weder vertragsgemäß ist noch billigem Ermessen entsprechen könne. Die vorsätzlich unwahre Sachverhaltsdarstellung in einem gerichtlichen Verfahren rechtfertigt regelmäßig die außerordentliche Kündigung, da dies das notwendige Vertrauensverhältnis erheblich stört und der Erklärende nicht davon ausgehen kann, dass die Gegenseite solches hinnehmen würde. Die Fortführung des Arbeitsverhältnisses war für die Beklagte unzumutbar, so das LAG Nürnberg. Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Gericht festgestellt, dass das Vertrauensverhältnis der Parteien durch das Verhalten des Klägers zumindest schwer gestört ist. Das Arbeitsverhältnis hatte noch keinen besonders langen Bestand (erst 16 Monate) und die Aussichten des Klägers auf dem Arbeitsmarkt in der Gebäudereinigung bzw. als Hausmeister können nicht als besonders schlecht bezeichnet werden.
Praxishinweis:
Die Beklagte hat auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Ausschlaggebend ist die unwahre Tatsachenbehauptung im Prozess, um möglichst eine günstige Entscheidung des Gerichts zu erlangen. Von den unwahren Angaben im Prozess hat die Beklagte durch Zustellung der Klage am 03.08.2018 erfahren. Die Kündigung ist dem Kläger am 10.08.2018 zugegangen und damit innerhalb der 2-Wochen-Frist.
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