Vergütung nach kirchenrechtlichen Regelungen
Vergütung nach kirchenrechtlichen Regelungen kann einzelvertraglich unterschritten werden
BAG, 24.05.2018, 6 AZR 308/17
Im kirchlichem Arbeitsverhältnis kann einzelvertraglich wirksam eine Vergütung des Arbeitnehmers vereinbart werden, die das in den einschlägigen kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen vorgesehene Vergütungsniveau unterschreitet. Dem steht eine Verletzung kirchengesetzlicher Vorgaben, welche die Schaffung einer vertraglichen Grundlage für die vollumfängliche Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts anordnen, nicht entgegen. Solche kirchengesetzlichen Regelungen entfalten keine normative Wirkung im privaten Arbeitsverhältnis. Sie binden den kirchlichen Arbeitgeber nur im kirchlichen Rechtskreis.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über Differenzvergütungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Dem Rechtsstreit liegt die Frage zugrunde, ob sich die Höhe der Vergütung der Klägerin nach einer einzelvertraglichen Vereinbarung oder nach den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) richtete. Die Klägerin war von Februar 2014 bis Januar 2016 bei der Beklagten tätig. Die Beklagte betreibt eine stationäre Altenhilfe, ambulante Pflege, Tagespflege sowie betreutes Wohnen. Sie ist eine gemeinnützige GmbH und Mitglied im Diakonischen Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine allgemeine Inbezugnahme auf die AVR-DD. Die Parteien haben unter Ziff. 3 und Ziff. 4 des Arbeitsvertrags vom 23.01.2014 lediglich die Gewährung des Jahresurlaubs nach den Bestimmungen den AVR-DD und eine Vergütung nach deren Entgeltgruppe 3 vereinbart. Hinsichtlich der Vergütung schlossen die Parteien unter dem gleichen Datum eine Zusatzvereinbarung, in der Entgelterhöhungen und Jahressonderzuwendungen geregelt wurden, die allerdings hinter den Ansprüchen aus dem AVR-DD zurückblieben. Die Klägerin verlangt nun eine vollumfängliche Vergütung nach Maßgabe der AVR-DD und eine entsprechende Differenzvergütung. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Differenzvergütung. Sie hat keinen Anspruch auf Entgeltsteigerungen, die sich aus einer dynamischen Anwendung der AVR-DD ergeben. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen wie den AVR-DD um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welchen mangels normativer Wirkung in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nur über Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen Wirkung verschafft werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 23.11.2017 – 6 AZR 683/16). Eine normative Wirkung besteht nicht, weil das säkulare Recht für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen keine unmittelbare und zwingende Geltung anordnet. Es fehlt eine etwa § 4 Abs. 1 TVG entsprechende Bestimmung. Eine Bezugnahme der AVR-DD ist hier nur punktuell erfolgt, der AVR-DD wurde nicht generell in Bezug genommen. Bezüglich der Entgeltsteigerungen und Jahressonderzahlungen haben die Parteien mit der „Änderung der Arbeitsbedingungen“ vom 23.01.2014 eine Abweichung von den AVR-DD vorgenommen. Diese hält einer Rechtskontrolle stand, sie ist wirksam. Es handelt sich hier weder um eine überraschende Klausel noch ist sie intransparent. Eine Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung vom 23.01.2014 ergibt sich auch nicht aus dem kirchlichen Arbeitsrecht. Die Beklagte konnte als kirchlicher Arbeitgeber in den durch das säkulare Recht gesetzten Grenzen Arbeitsverträge abschließen, die keine oder nur eine eingeschränkte Bezugnahme auf kirchliches Arbeitsrecht wie die AVR-DD vorsahen. Kirchengesetzliche Regelungen binden den kirchlichen Arbeitgeber als Normadressaten im kirchlichen Rechtskreis. Der kirchliche Arbeitgeber muss bei einer Nichtbeachtung ggf. kirchenrechtliche Konsequenzen befürchten und mit einer Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung zur Eingruppierung rechnen. Eine Verletzung kirchengesetzlicher Vorgaben, welche die Schaffung einer vertraglichen Grundlage für die vollumfängliche Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts anordnen, berührt jedoch per se nicht die Wirksamkeit einer anderslautenden vertraglichen Vereinbarung. Die kirchengesetzlichen Vorgaben können eine Anwendung der einschlägigen Arbeitsrechtsregelungen nicht erzwingen, da die Kirchen nicht die Rechtsmacht haben, eine normative Wirkung dieser Regelungen im privaten Arbeitsverhältnis anzuordnen. Die staatliche Arbeitsgerichtsbarkeit hat nicht die Aufgabe, im Urteilsverfahren für die Aufrechterhaltung der kirchlichen Ordnung zu sorgen. Dies bleibt den nach Kirchenrecht zuständigen kirchlichen Autoritäten vorbehalten. Die Vertragspraxis der Beklagten verstößt auch nicht gegen die guten Sitten oder die Grundsätze von Treu und Glauben, so der 6. Senat ergänzend.
Praxishinweis:
Abschließend führt der 6. Senat aus, dass die Klägerin ihre geltend gemachten Ansprüche auch nicht im Wege des Schadensersatzes verlangen kann. Die Beklagte hat die Klägerin bezogen auf das Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 3 AVR-DD vertragsgemäß vergütet. Eine vertragliche Nebenpflicht zur Vereinbarung und Leistung einer nach den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission gesteigerten Vergütung bestand gerade nicht, denn die Klägerin kann aus den kirchen- und satzungsrechtlichen Vorgaben keine individuellen Rechte ableiten. Wie dargestellt, handelt es sich bei diesen Regelungen letztlich um internes Organisationsrecht der Kirche, dessen Nichtbefolgung arbeitsrechtlich allenfalls durch die Mitarbeitervertretung im Rahmen ihrer Mitwirkungsrechte geltend gemacht werden kann.
Urteil des BAG vom 24.05.2018, Az.: 6 AZR 308/17