Darlegungslast bei der Erteilung eines Arbeitszeugnisses
Darlegungslast bei der Erteilung eines Arbeitszeugnisses
Wird in einem Arbeitszeugnis eine unterdurchschnittliche Arbeitsleistung attestiert, liegt die Darlegungs- und Beweislast für diese Beurteilung beim Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss im Zweifel belegen, dass er den Mitarbeiter richtig eingeschätzt hat. Wenn ihm dieser Beweis nicht gelingt, hat der Beschäftigte ein Recht auf die Berichtigung des Zeugnisses. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Verwendung des Geschäftspapiers, der Arbeitgeber kann aber nicht verpflichtet werden, das Zeugnis des Arbeitnehmers „vollständig“ auf Geschäftspapier zu erteilen.
LAG Köln, 12.09.2023, 4 Sa 12/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Berichtigung eines erteilten Arbeitszeugnisses. Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.03.2016 bis zum 30.09.2021 zuletzt als Niederlassungsleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Eigenkündigung des Klägers. Mit Datum vom 30.04.2019 erhielt der Kläger auf Grund einer erfolgten Beförderung ein Zwischenzeugnis mit einer durchgehend guten Beurteilung. U.a. heißt es dort: „Er verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig und mit höchstem Erfolg, so dass er binnen kürzester Zeit zu unserem besten Vertriebsmitarbeiter aufsteigen konnte.“ Im Januar 2022 erteilte die Beklagte dem Kläger ein auf das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses datiertes Endzeugnis. Das Zeugnis umfasst zwei DIN-A4 Seiten, wovon die erste Seite auf Firmenbriefpapier gedruckt ist und die zweite Seite auf neutralem Papier. Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch darauf, dass ihm in der Leistungsbeurteilung attestiert werde, er habe die vereinbarten Ziele nachhaltig und erfolgreich verfolgt. Ließe man die Formulierung „erfolgreich“ weg, so indiziere dies, er habe die ihm gesetzten Ziele nicht erreicht. Dies treffe nicht zu. Dasselbe gelte für die Formulierung, er habe Aufgaben und Verantwortung delegiert. Hier sei zwingend zu ergänzen, dass er dies in angemessenem Umfang getan habe. Die Bewertung sei ansonsten geeignet, den Eindruck zu erwecken, er sei faul gewesen und habe Aufgaben in unangemessener Weise delegiert. Dies treffe ebenfalls nicht zu. Das neue Zeugnis sei zudem vollständig und nicht nur mit der ersten Seite auf Firmenbriefpapier auszustellen. Das ArbG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist überwiegend unbegründet.
Entscheidungsanalyse:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Berichtigung des Arbeitszeugnisses. Im Rahmen der Zeugnisklarheit ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (Zeugniswahrheit). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere. Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers (BAG vom 12.08.2008, 9 AZR 632/07). Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt, dass der Arbeitgeber darlegen – und notfalls beweisen – muss, wenn er dem Arbeitnehmer nur eine unterdurchschnittliche Leistung bescheinigen möchte. Vorliegend wollte die Beklagte dem Kläger jedenfalls in den streitgegenständlichen Bereichen nur eine unterdurchschnittliche Leistung zusprechen. Wer Ziele zwar nachhaltig, aber nicht erfolgreich verfolgt und wer delegiert, aber nicht in angemessenem Umfang, der arbeitet unterdurchschnittlich. Entsprechend traf damit die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Dieser kam sie vorliegend nicht in ausreichendem Maße nach. Nach dem Grundsatz der Selbstbindung darf der Arbeitgeber außerdem von einmal getroffenen Bewertungen – insbesondere in einem Zwischenzeugnis – nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichen, solange eine geänderte Tatsachengrundlage dies nicht rechtfertigt. Der Arbeitgeber ist für den Zeitraum, den das Zwischenzeugnis erfasst, grundsätzlich auch hinsichtlich des Inhalts des Endzeugnisses gebunden. Genügt das erteilte Zeugnis – wie hier – den dargelegten Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen. Teilweise hat das LAG Köln die Klage jedoch abgewiesen. Grundsätzlich besteht zwar ein Anspruch auf Verwendung des Geschäftspapiers, der Arbeitgeber kann aber nicht verpflichtet werden, das Zeugnis des Arbeitnehmers „vollständig“ auf Geschäftspapier zu erteilen.
Praxishinweis:
Wird in einem qualifizierten Arbeitszeugnis im Sinne des § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO eine Leistungsbewertung aufgenommen, muss diese in sich konsequent sein. Werden beispielsweise die Einzelleistungen des Arbeitnehmers ausnahmslos als „sehr gut“ bewertet, so ist damit unvereinbar, dem Arbeitnehmer zusammenfassend zu bescheinigen, er habe nur zur „vollen Zufriedenheit“ gearbeitet (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2020 – 3 Sa 256/19).
Wenn Sie Fragen zur Darlegungslast bei der Erteilung eines Arbeitszeugnisses haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.