Auslegung von Versicherungsbedingungen bei Überschwemmungen
Auslegung von Versicherungsbedingungen bei Überschwemmungen
Ist nach den Bedingungen die Überschwemmung als „eine Überflutung des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Grundstück steht (Versicherungsgrundstück), durch a) Ausuferung von oberirdischen Gewässern …, b) Witterungsniederschläge …“ definiert, ist es erforderlich, dass sich Wasser auf der Geländeoberfläche, also auf dem Grund und Boden außerhalb der Bebauung, sammelt und in ein Gebäude eindringt, weil es auf dem Gelände weder vollständig versickern noch sonst geordnet auf natürlichem Wege abfließen kann.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
KG Berlin, 03.09.2021, 6 U 70/21
Sachverhalt:
Der Kläger ist Versicherungsnehmer der beklagten Wohngebäudeversicherung. Wegen eines angeblichen Versicherungsfalls durch die Folgen eines Unwetters mit Starkregen in der Zeit vom 29. bis 30.06.2017 verlangte er von der Beklagten die Zahlung von Versicherungsleistungen, die diese ablehnte. Das LG hat die klageweise geltend gemachten Anspruch aus der Gebäudeversicherung verneint. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsanalyse:
Der 6. Senat des KG Berlin hat entschieden, dass dem Kläger der Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalls in der Gebäudeversicherung durch die Folgen des Unwetters mit Starkregen in der Zeit vom 29. bis 30.06.2017 nicht gelungen ist. Gemäß Teil B § 4 Nr. 1 d) der hier maßgeblichen AVB Wohngebäudeversicherung mit der Glasversicherung vom 01.12.2009 leistet der Versicherer u. a. Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Überschwemmung (des Versicherungsgrundstücks) zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen. § 9 der genannten Bedingungen definiert die weiteren Elementargefahren wie folgt: „1. Überschwemmung ist eine Überflutung des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude steht (Versicherungsgrundstück), durch a) Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern; b) Witterungsniederschläge …“ Nach Auffassung des Senats reichen starke Niederschläge allein, die einen Gebäudeschaden verursachen, nicht aus, um den Versicherungsfall auszulösen. Das Wasser der Niederschläge müsse vielmehr den Grund und Boden, auf dem das versicherte Gebäude besteht, überfluten. Deshalb liegt aus Sicht des Senats eine Überschwemmung im Sinne der Klausel nicht allein schon deswegen vor, weil im zeitlichen Zusammenhang mit starken Niederschlägen Wasser in ein Gebäude eingedrungen ist und auf dem Boden des Kellergeschosses steht. Der Grund und Boden des Grundstücks muss vielmehr nach Worten des OLG außerhalb der Bebauung als Folge von Witterungsniederschlägen überflutet sein. Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei eine Überflutung von Grund und Boden anzunehmen, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammelten. Eine Überschwemmung liegt aus Sicht des Senats dann vor, wenn starker Regen auf einem Berghang in einem Maße niedergeht, dass er weder vollständig versickert oder sonst geordnet über natürliche Wege (z. B. Rinnen oder Furchen) abfließen kann. Im konkreten Fall habe der Kläger eine solche Überflutung des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude steht, nicht bewiesen. Für eine Überschwemmung im Sinne dieser Bedingungen reicht es nach Auffassung des OLG nicht aus, dass sich im zeitlichen Zusammenhang mit starken Niederschlägen Regenwasser im Kellerlichtschacht sammelt, von dort – über das Fenster oder die Außenwand – in das Gebäude eindringt und auf dem Boden des Kellergeschosses steht. Denn es blieben nicht versicherte Möglichkeiten der Schädigung des Gebäudes durch eindringendes Regenwasser. Nach Auffassung des Senats reicht der Nachweis, dass es sich bei dem im Keller stehenden Wasser um Niederschlagswasser handelt, nicht aus für den – mittelbaren – Beweis, dass eine Überschwemmung stattgefunden haben muss. Dies begründet der Senat damit, dass auch versickerndes Regenwasser- je nach baulicher Gestaltung des Gebäudes – einen Weg in den Keller gefunden haben kann. Erforderlich sei vielmehr der Nachweis einer Kausalitätskette in umgekehrter Richtung. Der Versicherungsnehmer muss hierbei nach Ansicht des OLG den Nachweis zu führen, dass die Niederschläge zu einer Überflutung des Grund und Bodens, auf dem sich das versicherte Gebäude befindet, geführt haben. Dieser Nachweis sei dem Kläger hier nicht gelungen. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach der hier vom KG Berlin vertretenen Auffassung sind auch die Kellerlichtschächte Teil des versicherten Gebäudes. Daher reicht es aus Sicht des KG für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht aus, dass sich dort Regenwasser sammelt und von dort – über das Fenster oder die Außenwand – in das Gebäude eindringt (vgl. KG, Beschlüsse vom 04.08.2015 – 6 U 69/15; OLG Köln, Urteil vom 09.04.2013 – 9 U 198/12).
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