behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung
Begriff der „behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung“ in den Bedingungen einer Ratenschutzarbeitslosenversicherung
Unter einer „behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung“ in den Bedingungen einer Ratenschutzarbeitslosenversicherung sind nicht nur dauerhafte oder von Geburt an bestehende Erkrankungen zu verstehen. Nur Bagatellerkrankungen fallen nicht hierunter.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
OLG Dresden, 03.01.2022, 4 U 2189/21
Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer bei der Beklagten im Zusammenhang mit einem darlehensfinanzierten Pkw-Kauf abgeschlossenen Ratenschutzversicherung. Er macht geltend, wegen Arbeitsunfähigkeit infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung arbeitsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen zu sein. Nach Leistungsantragsstellung ab Oktober 2018 hat er zum 01.07.2020 eine neue Arbeitsstelle angetreten und vor diesem Hintergrund erstinstanzlich seinen ursprünglichen Feststellungsantrag für erledigt erklärt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger ungeachtet seiner erstinstanzlichen Erledigungserklärung erneut seine ursprünglichen Klageanträge uneingeschränkt weiter. Er greift das Urteil wie folgt an: Das LG habe vor dem Hintergrund seiner Erledigungserklärung den Feststellungsantrag nicht abweisen dürfen. Seine psychische Erkrankung führe deshalb nicht zum Leistungsausschluss, weil es sich bei ihr nicht um eine „behandlungsbedürftige“ psychische Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen handele.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des OLG Dresden hat geurteilt, dass die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung hier nicht vorliegen, und zwar sowohl für den Fall der Arbeitsunfähigkeit, als auch für den Fall der Arbeitslosigkeit. Der Senat verweist hierzu auf die Besonderen Bedingungen für die Ratenschutzarbeitsunfähigkeitsversicherung (RSV-AU) und die Besonderen Bedingungen für die Ratenschutzarbeitslosigkeitversicherung (RSV-ALO). Zur Begründung weist der Senat zunächst darauf hin, dass die einvernehmliche Aufhebung „zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung“ erfolgt. Damit seien jedenfalls die Voraussetzungen einer Arbeitslosigkeit gemäß § 1 Ziffer 3 RSV-ALO nicht erfüllt. Für die Variante der Arbeitslosigkeit sieht § 1 Ziffer 3 der RSV-ALO vor, dass die Arbeitslosigkeit Folge einer Kündigung des Arbeitgebers oder einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der vergleichsweisen Erledigung eines Kündigungsschutzprozesses oder zur Abwendung einer betriebsbedingten Kündigung sein muss. Nach Auffassung des Senats greift im konkreten Fall außerdem ein Leistungsausschluss auf der Grundlage des § 3 RSV-AU wegen einer „behandlungsbedürftigen“ psychische Erkrankung ein. Das OLG erläutert, dass de durchschnittliche Versicherungsnehmer der Formulierung „behandlungsbedürftige psychische Erkrankung“ in § 3 Ziffer 1f der RSV-AU nicht entnehmen entnehmen, dass hierunter nur dauerhafte oder bereits im Menschen von Geburt an vorhandene psychische Erkrankungen zu zählen sind. Hierfür gebe es keinen Anhalt. Nach Auffassung des Senats fallen außerdem die beim Kläger diagnostizierten Erkrankungen und Störungen unter diesen Begriff. Sämtliche seiner Krankheitsbilder seien dem psychischen Bereich zuzuordnen. Aus Sicht des Senats ist das diagnostizierte Krankheitsbild bereits nach dem Klägervortrag als „behandlungsbedürftig“ i.S.d. Versicherungsbedingungen anzusehen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde für die Lektüre der RSV-AU von den behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen diejenigen unterscheiden, die sich im Bereich der Bagatellbeeinträchtigungen bewegen, bei denen es sich mit anderen Worten um Erkrankungen handelt, die einen solch geringen Leidensdruck begründen, dass die Notwendigkeit einer Behandlung nicht gesehen wird. Der Senat hat daher beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen.
Praxishinweis:
Hinsichtlich der vorgenommenen Auslegung weist das OLG Dresden in dieser Entscheidung auch auf die Systematik der Begrifflichkeiten im Rahmen der privaten Krankenversicherung hin, wonach der Versicherungsfall die „medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit …“ voraussetzt (§ 1 Abs. 2 MBKK 09). Medizinisch notwendig ist nach Worten des OLG eine Heilbehandlung dann, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen.
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