Pflicht der Personenassistanceversicherung bei Krankentransport
Pflicht der Personenassistanceversicherung bei Krankentransport
Ein Versicherer einer Personenassistanceversicherung, die u.a. Versicherungsschutz für die Organisation eines medizinisch sinnvollen Krankentransports im Ausland beinhaltet, schuldet die Vornahme dieser Versicherungsleistungen erst dann, wenn die versicherte Person bei objektiver Betrachtung transportfähig ist. Liegt die Transportfähigkeit der versicherten Person nicht vor, ist die Versicherungsleistung betreffend die Organisation eines Krankentransports noch nicht fällig.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
OLG Bremen, 13.05.2022, 3 U 16/21
Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld für gesundheitliche Beeinträchtigungen und Folgekosten nach einem in Ägypten im Juli 2014 erlittenen Blinddarmdurchbruch. Die Klägerin war im Jahr 2014 über die „X“ bei der Beklagten versichert. Zu den Leistungspflichten der Beklagten im Versicherungsfall gehörten danach u.a. ein „weltweit professionelles Notfallmanagement“. Die X umfasste zudem eine Auslandskrankenversicherung, wobei die Leistungen der Beklagten insoweit auf „Assistance-Leistungen“ beschränkt waren. Ausweislich Teil 2 Ziffer 2.1.2.1.8 der Versicherungsbedingungen unterfiel der Transport zum für die Behandlung geeigneten nächst erreichbaren Krankenhaus den versicherten Leistungen, gemäß Teil 2 Ziff. 2.1.2.3 war auch die Organisation von Krankentransporten geschuldet. Am 01.07.2014 traten bei der Klägerin, die sich zu diesem Zeitpunkt in Ägypten befand, massive Oberbauchbeschwerden, Krämpfe, anhaltende Übelkeit und Erbrechen auf. Sie wurde ohne vorherige Beteiligung der Beklagten in das nächstgelegene Krankenhaus in R. eingeliefert, wo zwar verschiedene Untersuchungen durchgeführt wurden, eine klare Diagnose jedoch nicht erfolgte. Am 03.07.2014 wurde die Klägerin in das S.-Hospital in H. verlegt, wo ein Blinddarmdurchbruch der Klägerin festgestellt und operativ behandelt wurde. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihre Verlegung in das Krankenhaus nach H. zu spät veranlasst und habe hierdurch ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Entscheidungsanalyse:
Der 3. Zivilsenat des OLG Bremen hat geurteilt, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß § 280 i. V. m. § 286 BGB wegen einer Verzögerung des Krankenrücktransportes von R. nach H. sind vorliegen. Nach Auffassung des Senats befand sich nämlich die beklagte Versicherungsgesellschaft mit der Erbringung der Versicherungsleistungen nicht in Verzug. Wann der Versicherungsfall eintrete und welche Versicherungsleistungen dann konkret geschuldet seien, ergebe sich aus dem Versicherungsvertrag, in der Regel aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen. Aus den ausdrücklich vorrangigen speziellen Versicherungsbedingungen ergibt sich hier nach Worten des OLG, dass Versicherungsleistungen zu erbringen sind bei Eintritt eines medizinischen Notfalls, d.h. einer erlittenen körperlichen Verletzung oder einer plötzlich und unvorhergesehenen Erkrankung der versicherten Person während der Auslandsreise. Bei der Klägerin habe unstreitig ein medizinischer Notfall bei der Klägerin vorgelegen. Gemäß Teil 2, Ziff. 2.1.2.3.1 hatte die Beklagte die unter der Ziff. 2.1.2.3.2 genannten Krankentransporte zu organisieren, erläutert der Senat. Betreffend die Organisation des Krankentransportes ergibt sich nach Ansicht des Senats aus diesen Regelungen („medizinisch sinnvolle Transporte“), aber auch aus der Natur der Sache, dass die versicherte Person jedenfalls transportfähig sein muss. Solange es daran fehle, sei eine Verlegung bereits nicht medizinisch sinnvoll bzw. vertretbar. Wenn die Transportfähigkeit der versicherten Person wie hier im Fall nicht vorliegt, ist die Versicherungsleistung betreffend die Organisation eines Krankentransports aus Sicht des Senats noch nicht fällig. Nach Überzeugung des OLG hat die Kläger gegen die Beklagte auch keinen Schadensersatzanspruch und keinen Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 280 Abs. 1 BGB wegen anderweitig schuldhafter Verletzung von Vertragspflichten aus dem Versicherungsvertrag. Denn es fehle bereits an einer Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte. Nach Auffassung des Senats schuldete die Beklagte im Rahmen der sog. Assistanceleistungen (nur) die Erbringung besonderer – durch die Erkrankung im Ausland bzw. auf der Reise verursachter – Unterstützungs- und Beratungsleistungen, also etwa Übersetzungshilfen, Vermittlung zu bzw. zwischen den Ärzten vor Ort. Diese Assistanceleistungen habe die Beklagte ordnungsgemäß erbracht. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach Auffassung des OLG Bremen ist unter „Assistanceleistungen“ im Sinne der Versicherungsbedinungen ein spezielles Beratungsangebot der Versicherung für eine fachgerechte medizinische Versorgung im Rahmen der vor Ort gegebenen Möglichkeiten zu verstehen. Zu dieser Beratungspflicht tritt nach Ansicht des OLG die Pflicht hinzu, den Versicherungsnehmer bei der Bewältigung des medizinischen Notfalls in bestimmten Fällen auch organisatorisch zu unterstützen, z.B. beim Krankentransport.
Wenn Sie Fragen zu den Pflichten einer Personenassistanceversicherung bei der Organisation eines Krankentransports haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.