Schmerzensgeld nach DSGVO wegen Mitarbeiterüberwachung
Schmerzensgeld nach DSGVO wegen Mitarbeiterüberwachung
Debei geht es genau genommen um ein Schmerzensgeld nach DSGVO wegen rechtswidriger Überwachung eines Mitarbeiters durch eine Detektei
Die rechtswidrige und heimliche Überwachung des Arbeitnehmers durch eine von der Arbeitgeberin beauftragte Detektei, bei der Bilder des Arbeitnehmers in verschiedenen Lebenssituationen zur Bewertung seines Gesundheitszustands gefertigt werden, begründet einen Schmerzensgeldanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
LAG Düsseldorf, 26.04.2023, 12 Sa 18/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung sowie über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen einer erfolgten Überwachung durch eine Detektei. Der Kläger war seit 2009 bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängerinnen in verschiedenen Positionen im Vertrieb beschäftigt. 2010 wurde der Kläger zum Vertriebsleiter Deutschland befördert. Die regelmäßige Arbeitsstätte war das Homeoffice. 2017 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers erstmals ordentlich gekündigt und er wurde von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Die Kündigungsschutzklage des Klägers hatte Erfolg. Eine weitere Kündigung wurde im Juni 2021 wegen Vorrangs einer Änderungskündigung für unwirksam erklärt. Im Juli 2021 sprach die Beklagte dann eine Änderungskündigung aus. Dem Kläger wurde eine Tätigkeit als Account Manager für die Region Süd angeboten. Das ArbG wies die Änderungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom 07.12.2021 rechtskräftig ab. Die tatsächliche Arbeitsaufnahme durch den Kläger erfolgte dann am 10.01.2022. Es folgte ein weiteres arbeitsgerichtliches Verfahren über die vertragsgemäße Beschäftigung. Vom 04.02.2022 bis 04.03.2022 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte ließ den Kläger in der Zeit vom 25.02.2022 bis zum 04.03.2022 durch eine Detektei stichprobenartig überwachen. Der Kläger wurde beim Einkaufen, beim Tragen von diversen Gegenständen und bei Reparaturarbeiten an seinem Fahrzeug beobachtet. Der Kläger wurde zum Vorwurf der Vortäuschung einer AU angehört. Im Rahmen der Betriebsratsanhörung wurde der Betriebsrat nicht über die Klage zur vertragsgemäßen Beschäftigung unterrichtet. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 01.04.2022 außerordentlich fristlos. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und verlangt Schmerzensgeld wegen der rechtswidrigen Überwachung in seinem Privatbereich. Das ArbG hat dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben, einen Anspruch auf Schmerzensgeld aber verneint. Die hiergegen erhobene Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Berufung des Klägers war vor dem LAG Düsseldorf allerdings teilweise erfolgreich.
Entscheidungsanalyse:
Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.04.2022 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst, weil sie gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam ist. Bei einer Betriebsratsanhörung gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Um keine Frage der subjektiven Determinierung handelt es sich aber, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Sachverhalt bewusst irreführend schildert, damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, d.h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert. Die Darlegungs- und Beweislast für die nicht bewusste Irreführung trägt der Arbeitgeber, wenn die objektiven Daten mit der Information des Betriebsrats nicht übereinstimmen. Bestreitet der Arbeitnehmer die „ordnungsgemäße“ Betriebsratsanhörung, ist es Sache des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit darzulegen. Hier hat die Beklagte den Betriebsrat bewusst und gewollt unrichtig und unvollständige über die für ihren Kündigungsentschluss maßgebenden Kündigungsgründe informiert. Im Rahmen der Interessenabwägung zu den Kündigungsgründen stellt die Beklagte auch auf mangelnde Bereitschaft des Klägers ab, seine Arbeitsleistung vertragsgemäß zu erbringen. Die Beklagte lässt aber den Umstand weg, dass der Kläger Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung erhoben hat. Die Beklagte hat den Betriebsrat so nicht in die Lage versetzt, sich ein zutreffendes und vollständiges Bild von den Gründen für die Kündigung zu machen. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine Entschädigung in Höhe von 1.500,00 Euro zu zahlen. Die Datenverarbeitung in Form der Detektivüberwachung des Klägers war nicht erforderlich und zugleich unverhältnismäßig. Die Datenverarbeitung wurde nicht auf das notwendige Maß beschränkt. Die rechtswidrige und heimliche Überwachung des Arbeitnehmers durch eine von der Arbeitgeberin beauftragte Detektei, bei der Bilder des Arbeitnehmers in verschiedenen Lebenssituationen zur Bewertung seines Gesundheitszustands gefertigt werden, begründet einen Schmerzensgeldanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
Praxishinweis:
Eine zwar vermeidbare, aber unbewusst erfolgte, „bloß“ objektive Fehlinformation führt nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber bei größerer Sorgfalt die richtige Sachlage hätte kennen können. Maßgeblich ist, ob er subjektiv gutgläubig und ob trotz objektiv falscher Unterrichtung dem Sinn und Zweck der Betriebsratsanhörung Genüge getan ist. Dies ist bei einer unbewussten Falschinformation dann der Fall, wenn sich der Inhalt der Unterrichtung mit dem tatsächlichen Kenntnisstand des Arbeitgebers deckt und der Betriebsrat damit auf derselben Tatsachenbasis wie dieser auf dessen Kündigungsabsicht einwirken kann.
Wenn Sie Fragen zu dem Thema Schmerzensgeld nach DSGVO wegen rechtswidriger Überwachung eines Mitarbeiters durch eine Detektei haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.