Leistungspflicht einer Versicherung wegen eines Leitungswasserschadens
Feststellung der Leistungspflicht einer Versicherung wegen eines Leitungswasserschadens
Einer auf Feststellung der Eintrittspflicht eines Versicherers gerichteten Klage eines Versicherungsnehmers (hier: wegen eines Leitungswasserschadens) kann grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den Versicherungsbedingungen die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Klärung der Schadenhöhe vorgesehen ist.
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BGH, 13.04.2022, IV ZR 60/20
Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus einer Wohngebäude- und einer Hausratversicherung wegen eines Leitungswasserschadens. Zwischen den Parteien bestehen seit 2005 eine Wohngebäudeversicherung auf der Grundlage der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen der Beklagten (VGB 2000 – BVV/BLBV) und eine Hausratversicherung auf der Grundlage der Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen der Beklagten (VHB 2000 – BVV). Beide Versicherungen schließen das Risiko von Leitungswasserschäden ein. Vor Antritt eines mehrmonatigen Urlaubs im Januar 2018 drehte der Kläger in dem versicherten Wohnhaus den Hausabsperrhahn vor der Wasseruhr zu, entleerte die Wasserleitungen und betätigte die Toilettenspülungen, um die Absperrung zu überprüfen. Einen nach der Wasseruhr befindlichen zweiten Absperrhahn drehte er nicht zu. Als er am 07.06.2018 aus dem Urlaub zurückkehrte, stellte er fest, dass ein erheblicher Wasseraustritt stattgefunden hatte. Dieser war entstanden, weil der zugedrehte Hausabsperrhahn die Wasserzufuhr nicht vollständig verschlossen hatte und ein Ventil am Anschluss der Waschmaschine undicht geworden war. Durch den Wasseraustritt sind in beiden Versicherungen versicherte Schäden eingetreten, deren Höhe zwischen den Parteien streitig ist. Der Kläger beziffert die Schadensumme in der Wohngebäudeversicherung mit 43.370,98 Euro und schätzt den Hausratschaden auf 10.000 Euro. Mit der Klage hat er zuletzt die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Versicherungsleistungen aus der Wohngebäudeversicherung und aus der Hausratversicherung aufgrund des Leitungswasserschadens vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 22 Nr. 1 VGB 2000 bzw. gemäß § 23 Nr. 1 VHB 2000 zu gewähren. Außerdem hat er die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 Euro nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hält die Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresse für unzulässig und beruft sich im Übrigen für beide Versicherungen auf ein Kürzungsrecht wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung, Gefahrerhöhung und mindestens fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles. Das LG hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger Versicherungsleistungen aus beiden Versicherungen in voller Höhe vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 28 Nr. 1 VGB 2000 bzw. § 31 Nr. 1 VHB 2000 zu gewähren. Außerdem hat es unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger Kosten der außergerichtlichen Rechtsvertretung in Höhe von 1.100,51 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Diese verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsanalyse:
Der IV. Zivilsenat des BGH hat geurteilt, dass die Feststellungsklage zulässig und insbesondere das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers besteht. Nach Auffassung des Senats scheitert die Zulässigkeit der Feststellungsklage hier nicht am Vorrang der Leistungsklage. Wenn dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist und sie das Rechtsschutzziel erschöpft, fehlt ihm nach Worten des BGH regelmäßig das erforderliche Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Feststellungsklage sei dann unzulässig. Der Senat stellt jedoch klar, dass eine allgemeine Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage nicht besteht. Nach Auffassung des Senats kann einer auf Feststellung der Eintrittspflicht eines Versicherers gerichteten Klage eines Versicherungsnehmers grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den Versicherungsbedingungen wie hier im Fall die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Klärung der Schadenhöhe vorgesehen ist. Mit Rücksicht auf ein solches in den Versicherungsbedingungen vorgesehenes Sachverständigenverfahren, das jede Partei ohne Zustimmung der anderen in Gang bringen könne, brauche sich der Versicherungsnehmer hier nicht auf eine Leistungsklage verweisen zu lassen. Denn damit würde er aus Sicht des BGH das Recht verlieren, ein Sachverständigenverfahren zur Schadenhöhe zu beantragen. Der BGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Revision der beklagten Versicherungsgesellschaft keinen Erfolg hat.
Praxishinweis:
Nach Auffassung des BGH kann das Feststellungsinteresse auch trotz möglicher Leistungsklage bestehen, wenn schon ein Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führt, weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird. So kann nach Ansicht des BGH von einem beklagten Versicherer erwartet werden, dass er auf ein entsprechendes rechtskräftiges Feststellungsurteil hin seinen rechtlichen Schadensersatzverpflichtungen nachkommt, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.1999 – VI ZR 195/98).
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