Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
Abgrenzung einer Individualvereinbarung von einer Allgemeinen Geschäftsbedingung
§ 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG, der eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung u. a. bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften erlaubt, kann im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nicht unionskomfortrechtlich ausgelegt werden, so dass diese Vorschrift keine Anwendung findet.
§ 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, als dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften auch zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Auch wenn es den staatlichen Gerichten im Regelfall nicht erlaubt ist, über das der angeführten beruflichen Anforderung zugrundeliegende Ethos als solches zu befinden, sind sie jedoch verpflichtet, festzustellen, ob diese drei Kriterien in Anbetracht des betreffenden Ethos im Einzelfall erfüllt sind. Sofern der kirchliche Arbeitgeber geltend macht, dass die Kirchenmitgliedschaft erforderlich sei, weil der Stelleninhaber die Position des Arbeitgebers gegenüber Dritten vertreten müsse, so hat er vorzutragen, dass und weshalb es in diesem Zusammenhang erforderlich wird, dessen Ethos nach außen zu bekunden. Die Haftung des Arbeitgebers nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot ist verschuldensunabhängig. Soweit sich ein EU-Mitgliedstaat, wie etwa Deutschland, für eine Sanktion entscheidet, die sich in den Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers einfügt, so ist der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich allein ausreichend, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen. Demzufolge ist auch ein fehlendes Verschulden bzw. ein geringer Grad des Verschuldens des Arbeitgebers im Rahmen der Bemessung der Entschädigung zulasten der benachteiligten Person bzw. zugunsten des benachteiligenden Arbeitgebers nicht berücksichtigungsfähig.
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LAG Niedersachsen, 10.11.2022, 10 Sa 957/21
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