Rückzahlungsklausel in Fortbildungsvereinbarungen
Rückzahlungsklausel in Fortbildungsvereinbarungen
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der Fortbildungskosten zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Bindungsfrist „aus persönlichen Gründen“ aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, da davon auch solche Gründe erfasst werden, die von dem Arbeitnehmer nicht zu vertreten sind oder die auf Maßnahmen zurückgehen, die dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind. Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung ist nicht deshalb der Inhaltskontrolle entzogen, weil das Vertragsmuster Anlage einer Dienstvereinbarung zur Regelung von Fortbildungsmaßnahmen ist.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
LAG Mecklenburg-Vorpommern, 03.05.2022, 5 Sa 210/21
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Beim klagenden Landkreis gilt die Dienstvereinbarung „Regelungen zur Teilnahme an berufsbegleitenden Fortbildungsmaßnahmen“. Hier werden grundsätzlich Regelungen zu Fortbildungsmaßnahmen und möglicher Erstattungsansprüche geregelt. Die Dienstvereinbarung regelt jedoch nicht einzelne konkrete Fortbildungsmaßnahmen und die Höhe der zu erstattenden Kosten. Dieser Dienstvereinbarung ist als Anlage 1 ein Muster für eine Fortbildungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit verschiedenen auszufüllenden Feldern und anzukreuzenden Varianten beigefügt. Die Beklagte war seit 2016 als Fachgebietsleiterin beim Landkreis beschäftigt. Auf Anregung des Landkreises schlossen die Parteien am 17.03.2017 im Hinblick auf eine spätere Verwendung der Beklagten als Fachdienstleiterin eine Fortbildungsvereinbarung entsprechend der Anlage 1, wonach der Landkreis die Kosten für den berufsbegleitenden Studiengang übernimmt. Hinsichtlich einer möglichen Rückzahlung dieser Kosten ist hier u.a. geregelt, dass die Beklagte dem Arbeitgeber die entstandenen Teilnahmegebühren zu erstatten hat, wenn sie vor Ablauf der Bindungsfrist von 3 Jahren aus persönlichen Gründen aus der Dienststelle ausscheidet. Die Beklagte schloss den Masterstudiengang am 08.04.2019 erfolgreich ab. Der Kläger schrieb die Stelle der Fachdienstleitung im Jahr 2019 aus. Die Beklagte bewarb sich hierauf. Das Stellenbesetzungsverfahren wurde jedoch vom Kläger nicht weiterbetrieben. Mangels einer Perspektive bei dem Kläger bewarb sich die Beklagte bei einem anderen Landkreis. Die Parteien schlossen am 17.03.2020 einen Aufhebungsvertrag, mit dem sie das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2020 beendeten. Der klagende Landkreis verlangt nun 2/3 der Fortbildungskosten zurück. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des klagenden Landkreises hat ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Aus der Dienstvereinbarung selbst können bereits keine Ansprüche des Landkreises bestehen, weil dort weder einzelne konkrete Fortbildungsmaßnahmen noch die Höhe der zu erstattenden Kosten geregelt sind. Auch auf die Fortbildungsvereinbarung vom 15.03.2017 kann sich der Kläger nicht berufen. Danach sind die dem Kläger entstandenen Teilnahmegebühren ganz oder teilweise je nach Beendigungstermin zu erstatten, wenn die Beklagte vor Ablauf der Bindungsfrist von drei Jahren aus persönlichen Gründen aus der Dienststelle ausscheidet. Diese Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Es handelt sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung des Klägers, die die Beklagte unangemessen benachteiligt. Die Rückzahlungsklausel in der Fortbildungsvereinbarung ist nicht deshalb der Inhaltskontrolle entzogen, weil das Vertragsformular zugleich Anlage der Dienstvereinbarung zur Regelung der Teilnahme an berufsbegleitenden Fortbildungsmaßnahmen ist. Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB finden zwar gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keine Anwendung bei Dienstvereinbarungen. Die Dienstvereinbarung vom 05.02.2013 regelt jedoch nicht die wechselseitigen Ansprüche von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei einer konkreten Fortbildungsmaßnahme. Vielmehr sind diese zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Vertrag festzulegen und dort abschließend zu regeln. Soweit der Personalrat zu den Rahmenbedingungen der mit dem Arbeitnehmer abzuschließenden Fortbildungsvereinbarung, insbesondere der Rückzahlungsklausel, sein Einverständnis erklärt hat, ändert sich dadurch nichts an dem rechtlichen Charakter des Vertrages zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Vertragliche Rechte und Pflichten werden nicht dadurch zu Rechten und Pflichten aus einer Dienstvereinbarung, dass auch in der Dienstvereinbarung gleichlautende Bestimmungen enthalten sind. Der Inhaltskontrolle entzogen sind nur die Regelungen einer Dienstvereinbarung, nicht jedoch einzelvertragliche Regelungen, mögen diese auch deckungsgleich mit Bestimmungen in einer Dienstvereinbarung sein. Die Klausel, nach der Fortbildungskosten zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Bindungsfrist „aus persönlichen Gründen“ aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, da davon auch solche Gründe erfasst werden, die von dem Arbeitnehmer nicht zu vertreten sind oder die auf Maßnahmen zurückgehen, die dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind.
Praxishinweis:
Unabhängig von dem abstrakten Prüfungsmaßstab liegt hier auch im Einzelfall eine unangemessene Benachteiligung vor. Die Beklagte hat ihr Arbeitsverhältnis zwar aus Gründen beendet, die auf ihre Person zurückgehen. Den Anlass hierfür hat jedoch der Kläger gesetzt. Eine Abwälzung von Fortbildungskosten auf den Arbeitnehmer ist unzulässig, wenn der Arbeitgeber nicht bereit oder nicht in der Lage ist, den Arbeitnehmer seiner neu erworbenen Qualifikation entsprechend zu beschäftigen.
Wenn Sie Fragen zur Rückzahlungsklausel in Fortbildungsvereinbarungen haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.