Kündigung Altersteilzeitvertrag wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage
Kündigung Altersteilzeitvertrag wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage
Wenn eine Arbeitgeberin gemeinsam mit dem Personalrat über eine Dienstvereinbarung ein rechtliches Konstrukt schafft und mit einem Arbeitnehmer auf dieser – ggf. unwirksamen – Grundlage Altersteilzeitverträge abschließt, wonach über einen Gesamtzeitraum von sechs Jahren Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch genommen werden kann, liegt die Sicherstellung des Vorliegens entsprechender steuer- und beitragsrechtlicher Voraussetzungen außerhalb der Einfluss- und Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers.
LAG Hamm, 29.11.2023, 9 Sa 693/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Bestand eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. 2021 schloss die Beklagte mit dem Personalrat eine „Dienstvereinbarung über die Ausgestaltung von Altersteilzeit“. Danach ist eine „Blockbildung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ATG in den jeweils gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenzen zulässig. Die Vereinbarungshöchstgrenze beträgt derzeit 6 Jahre.“ Ein Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Am 28.01.2022 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitvertrag im Blockmodell, der am 31.01.2028 enden soll. Die Beklagte verpflichtet sich hier den gesetzlichen Aufstockungsbetrag in Höhe von 20 % sowie einen zusätzlichen betrieblichen Aufstockungsbetrag zu zahlen. Am 22.08.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der geschlossene Altersteilzeitvertrag „nichtig“ sei. Die mit dem Personalrat geschlossene Dienstvereinbarung sei mangels Rechtsgrundlage (tarifvertragliche Grundlage) unwirksam und stelle mithin keine geeignete Grundlage für die Vereinbarung eines Altersteilzeitverhältnisses über eine Dauer von sechs Jahren dar. Mit weiterem Schreiben vom 23.08.2023 erklärte die Beklagte „vorsorglich“ die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Altersteilzeitvertrags. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der abgeschlossene Altersteilzeitvertrag wirksam ist. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Zwischen den Parteien besteht auf der Grundlage des Altersteilzeitvertrags vom 28.01.2022 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Der Altersteilzeitvertrag ist weder mit Schreiben vom 22.08.2022 noch mit Schreiben vom 23.08.2023 wirksam gekündigt worden. Die Beklagte kann sich nicht aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage durch Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB von dem geschlossenen Altersteilzeitarbeitsvertrag lösen. Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 und 2 BGB sind nicht erfüllt. Selbst wenn unterstellt wird, dass die Dienstvereinbarung vom 29.11.2021 unwirksam ist, weil eine Gesamtdauer für Altersteilzeitverhältnisse von bis zu sechs Jahren nicht hätte vereinbart werden dürfen, und somit im Rahmen des Altersteilzeitvertrags vom 28.01.2022 von einer nicht gegebenen Steuer- und Beitragsfreiheit der durch die Beklagte zu erbringenden Leistungen auszugehen ist, handelt es sich um einen Rechtsirrtum, der dem Risikobereich der Beklagten zuzurechnen wäre. Der Beklagten ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen Risikoverteilung, das Festhalten an dem am 28.01.2022 geschlossenen Altersteilzeitvertrag zuzumuten. Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich kein Raum, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, Urteil vom 09.03.2010, VI ZR 52/09). Wenn eine Arbeitgeberin gemeinsam mit dem Personalrat über eine Dienstvereinbarung ein rechtliches Konstrukt schafft und mit einem Arbeitnehmer auf dieser – ggf. unwirksamen – Grundlage Altersteilzeitverträge abschließt, wonach über einen Gesamtzeitraum von sechs Jahren Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch genommen werden kann, liegt die Sicherstellung des Vorliegens entsprechender steuer- und beitragsrechtlicher Voraussetzungen außerhalb der Einfluss- und Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers. Eine Vertragsauflösung durch Ausübung eines Rücktritts- bzw. Kündigungsrechts kommt nach § 313 Abs. 3 BGB zudem nur in Betracht, wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist. § 313 Abs. 1 BGB gibt dem Berechtigten einen Anpassungsanspruch, weshalb der Anspruchsteller auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung im Sinne des § 894 ZPO klagen kann.
Praxishinweis:
Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB oder aber § 314 Abs. 1 BGB berufen. Eine Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB scheidet bereits deshalb aus, weil die Beklagte nicht den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien in Gänze in Frage stellt. Für eine Kündigung gemäß § 314 BGB als „Ultima Ratio“ kann von vornherein kein wichtiger Grund vorliegen, wenn eine Vertragsanpassung an die veränderten Umstände möglich und den Parteien die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zumutbar ist.
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