Änderung einer Bezugsberechtigung zugunsten eines Betreuers
Änderung einer Bezugsberechtigung zugunsten eines Betreuers
Bei einer Lebensversicherung auf den Tod eines anderen erfordert die Änderung der Bezugsberechtigung im Todesfall in entsprechender Anwendung von § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG die schriftliche Einwilligung der versicherten Person. Entsprechend § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG kann jedenfalls der für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge bestellte Betreuer der versicherten Person diese bei Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, wenn die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten geändert werden soll.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer aufrufen:
BGH, 25.09.2019, IV ZR 99/18
Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Versicherungsleistungen aus zwei Lebensversicherungen in Anspruch. Der Sohn des Beklagten (Betreuter) hatte diese als Versicherungsnehmer und versicherte Person im Jahr 1989 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (Klägerin) abgeschlossen und seine spätere Ehefrau als Bezugsberechtigte für seinen Todesfall benannt. Im April 1993 fiel er infolge eines Unfalles ins Koma. Der Beklagte wurde zu seinem Betreuer mit den Aufgabenkreisen ?Sorge für die Gesundheit des Betroffenen einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen?, ?Aufenthaltsbestimmung?, ?Vermögenssorge? sowie ?Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente, Sozialhilfe und Unterhalt? bestellt. Die Ehe des Betreuten wurde im August 1994 geschieden. Mit Schreiben vom 10.10.1994 bat der Beklagte in seiner „Eigenschaft als Betreuer“ die Klägerin unter Hinweis auf die Ehescheidung, ihn selbst bei den Lebensversicherungen als bezugsberechtigte Person einzutragen, und erklärte, dass nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres die Tochter des Betreuten bezugsberechtigt sein solle. Die Klägerin teilte dem Beklagten durch Schreiben vom 18.10.1994 mit, ihn als widerruflich bezugsberechtigt vorgemerkt zu haben. Der Betreute verstarb Ende des Jahres 2011. Alleinerbin ist seine Tochter. Auf Antrag des Beklagten zahlte die Klägerin die Versicherungsleistungen in Höhe von 27.323,30 Euro an ihn und in Höhe von 42.697,09 Euro an ein Bestattungsinstitut aus, welches nach Abzug der für die Beerdigung des Betreuten angefallenen Kosten 39.499,22 Euro an den Beklagten weiterleitete. Im Jahr 2013 verlangte die geschiedene Ehefrau des Betreuten von der Klägerin die Auszahlung der Versicherungsleistungen. Dem kam die Klägerin nach. In der Folge forderte sie den Beklagten mehrfach zur Rückzahlung der ausgezahlten Beträge auf. Der Beklagte hat behauptet, der Betreute habe seit dem Unfall an einem sogenannten Locked-In-Syndrom gelitten. Er habe durch Augenkontakt mit seiner Umwelt kommunizieren können. Auf diese Weise habe der Betreute ihn mit der Änderung der Bezugsrechte aus den Lebensversicherungen beauftragt. Das Landgericht hat die ursprünglich auf Zahlung von 70.000 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Hauptforderung auf 70.020,39 Euro erhöht. Das Oberlandesgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der im Berufungsverfahren erweiterten Klage.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat geurteilt, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsleistungen hat. Der Beklagte habe diese ohne rechtlichen Grund erlangt. Nach Überzeugung des Senats stand ihm keine Bezugsberechtigung für die Leistungen aus den Lebensversicherungen zu, da er die ursprünglich zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Betreuten begründeten Bezugsrechte durch sein Schreiben vom 10.10.1994 nicht wirksam dahin geändert hat, dass er bezugsberechtigt wurde. Der BGH betont, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als Betreuer keine Befugnis hatte, die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten zu ändern. Nach Auffassung des Senats war die Änderung der Bezugsberechtigung jedenfalls aufgrund des Fehlens einer schriftlichen oder notariell beurkundeten (vgl. § 126 Abs. 3 BGB in der bis zum 31.07.2001 geltenden Fassung) Einwilligung des Betreuten unwirksam. Eine solche Einwilligung sei hier in analoger Anwendung des § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (VVG a.F.) erforderlich gewesen. § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bestimmt, dass, wenn die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen wird und die vereinbarte Leistung – wie im Streitfall – den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt, zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich ist. Der BGH stellt klar, dass hier die danach erforderliche schriftliche Einwilligung des Betreuten nicht vorgelegen hat. Der Senat weist außerdem darauf hin, dass der Beklagte als Betreuer den Betreuten insoweit auch nicht wirksam vertreten konnte. Das ergebe sich hier jedenfalls aus einer entsprechenden Anwendung des § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. Gemäß § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. kann der Versicherungsnehmer den anderen bei der Erteilung der Einwilligung unter anderem dann nicht vertreten, wenn für den anderen ein Betreuer bestellt ist und die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zusteht. Der Schutzzweck gebiete es, § 159 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. im Streitfall über seinen Wortlaut hinaus anzuwenden. Der BGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Revision des Beklagten nur zu einem geringen Teil Erfolg hat, und zwar nur hinsichtlich eines Teils des Zinsanspruchs.
Praxishinweis:
Nach der hier vom BGH vertretenen Auffassung ist die vom Betreuer erklärte Bezugsrechtsänderung hier auch nicht aufgrund einer vom Betreuten rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht wirksam. Aus Sicht des BGH setzt eine wirksame Bezugsrechtsänderung durch dem Betreuer als rechtsgeschäftlicher Vertreter eine schriftlichen oder notariell beurkundeten Vollmacht des Betreuten voraus. Eine solche ist im Anwendungsbereich des § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.1998 – IV ZR 306/97).
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