Auslegung einer Abfindungserklärung in der Gebäudeversicherung
Auslegung einer Abfindungserklärung in der Gebäudeversicherung
Vereinbaren die Vertragspartner bei der Regulierung eines Schadens durch den Gebäudeversicherer, dass mit der Zahlung eines bestimmten Betrages „alle Ansprüche auf Grund des Feuerschadens“ endgültig abgefunden werden sollen, so ist die Reichweite der Abgeltung im Einzelfall durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln. Wenn die Parteien bei der Berechnung der Entschädigung nur den reinen Gebäudeschaden im Auge hatten (hier: Entschädigung für den „NW-Schaden brutto“), kommt eine Auslegung der Vereinbarung in Betracht, wonach Bewegungs- und Schutzkosten (BSK) sowie Aufräumungs- und Abbruchkosten (AAK) von der Abgeltung nicht erfasst werden.
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OLG Karlsruhe, 14.03.2019, 9 U 42/17
Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens W. 4 in F.. Zu einem unbekannten Zeitpunkt in der Vergangenheit schloss die Klägerin für dieses Anwesen mit der Beklagten einen Gebäudeversicherungsvertrag ab. Am 28.10.2013 trat ein Brandschaden auf, bei dem erhebliche Teile eines Ökonomiegebäudes zerstört wurden. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen für diesen Brandschaden eintrittspflichtig ist. Insgesamt zahlte die Beklagte an die Klägerin zur Regulierung sämtlicher Ansprüche aus dem Versicherungsfall vom 28.10.2013 den in einer Vergleichs- und Abfindungserklärung vom 25.02.2014 angegebenen Betrag von 170.989,00 Euro. Die Parteien haben dort vereinbart, dass mit der Zahlung dieses Betrages „alle Ansprüche auf Grund des Feuerschadens“ endgültig abgefunden werden sollen. Außerdem enthält das Formular die handschriftlichen Eintragungen „Bei o. g. Betrag handelt es sich um den NW-Schaden brutto. Dieser ist voll umfänglich nachzuweisen.“. und „AAK wurden über den SV R. fiktiv ermittelt. Diese können bei Rechnungsstellung abweichen.“ Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Landgericht weitere Zahlungen von der Beklagten wegen des Schadensfalls vom 28.10.2013 verlangt, nämlich die Erstattung von Kosten für die De- und Remontage der Photovoltaikanlage auf dem Dach des beschädigten Gebäudes („Bewegungs- und Schutzkosten“, abgekürzt BSK) in Höhe von 1.999,20 Euro und die Erstattung von „Aufräumungs- und Abrisskosten“ (abgekürzt AAK) in Höhe von 5.015,04 Euro. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 7.014,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.08.2015 verurteilt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten.
Entscheidungsanalyse:
Der 9. Zivilsenat des OLG Karlsruhe hat entschieden, dass der Klägerin wegen des Schadensfalls vom 28.10.2013 aus dem Versicherungsvertrag ein restlicher Anspruch in Höhe von 7.014,24 Euro zusteht. Die Beklagte habe der Klägerin im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen den Schaden aus dem Brandfall vom 28.10.2013 zu ersetzen. Nach Überzeugung des Senats umfasst die Leistungspflicht der Beklagten auch Bewegungs- und Schutzkosten sowie Aufräumungs- und Abbruchkosten. Der Klägerin seien Kosten in Höhe von 1.999,20 Euro (BSK) und in Höhe von 5.015,04 Euro AAK entstanden. Daraus ergebe sich eine Gesamtforderung in Höhe von 7.014,24 Euro. Nach Worten des OLG ist diese Forderung der Klägerin auch nicht durch Erfüllung erloschen. Denn die Beklagte habe Zahlungen nur auf ihre Verpflichtung aus der Vereinbarung vom 25.02.2014 erbracht, jedoch nicht auf ihre Verpflichtung zur Erstattung von AAK und BSK. Der Senat stellt außerdem klar, dass der Vergleich vom 25.02.2014 dem Anspruch der Klägerin nicht entgegensteht. Denn der Anspruch auf Erstattung von AAK und BSK werde von der Abgeltungsklausel in diesem Vergleich nicht erfasst. Das OLG erläutert, dass die vergleichsweise Vereinbarung vom 25.02.2014 wirksam ist. Die Vereinbarung vom 25.02.2014 erfasse nur den reinen Gebäudeschaden ohne AAK und BSK. Dies ergebe sich aus einer wörtlichen Auslegung des Vertrages. Dies schließt der Senat aus dem handschriftlichen Zusatz, wonach es sich bei dem „o. g. Betrag“ um den „NW-Schaden brutto“ handeln sollte. Der Begriff „Neuwert-Schaden“ betrifft aus Sicht des OLG im Hinblick auf die Neuwert-Regelungen in den üblichen Versicherungsbedingungen ausschließlich den reinen Gebäudeschaden und nicht die von der Klägerin geltend gemachten Aufräumungs- und Abbruchkosten sowie Bewegungs- und Schutzkosten. Der Begriff Neuwert-Schaden mache im Zusammenhang mit diesen beiden Positionen keinen Sinn. Nach Worten des Senats ergibt sich aus der handschriftlichen Formulierung, dass der „o. g. Betrag“ in Höhe von 170.989,00 Euro nur den reinen Gebäudeschaden betraf, und nicht BSK und AAK. Daraus ergebe sich, dass auch die im Formular vorformulierte Abgeltungsklausel sich von vornherein nur auf den Gebäudeschaden beziehen konnte, und nicht auf BSK und AAK. Nach Auffassung des OLG wird diese Auslegung der Vereinbarung vom 25.02.2014 bestätigt durch den weiteren handschriftlichen Zusatz zu den AAK am Ende der Vereinbarung. Der handschriftliche Hinweis auf die AAK mache nur dann Sinn, wenn der Anspruch auf Erstattung der AAK von der Vereinbarung vom 25.02.2014 nicht erfasst werden sollte. Die wörtliche Auslegung entspreche auch Sinn und Zweck der Vereinbarung. Aus Sicht des OLG dürfte daher im Ergebnis die Berufung der Beklagten voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben.
Praxishinweis:
Das OLG Karlsruhe macht in dieser Entscheidung auch deutlich, dass es allerdings grundsätzlich denkbar ist, eine Vereinbarung über die Höhe des Gebäudeschadens zu treffen, mit der Maßgabe, dass weitere Ansprüche, die nicht den Gebäudeschaden betreffen, ausgeschlossen sein sollten. Im konkreten Fall käme nach Ansicht des OLG außerdem eine abweichende Auslegung der Vereinbarung in Betracht, wenn die Parteien den Text abweichend vom Wortlaut übereinstimmend anders verstanden hätten. Auch dies sei hier nicht festzustellen.
Wenn Sie Fragen zur Auslegung einer Abfindungserklärung in der Gebäudeversicherung haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.“