Betriebsbedingte Kündigungsgrund als Hauptursache für Abfindung
Betriebsbedingte Kündigungsgrund als Hauptursache für Abfindung
Macht ein (Tarif-)Sozialplan ein betriebsbedingtes Ausscheiden – hier aufgrund Betriebsstilllegung – zur Voraussetzung für Abfindungsleistungen, muss die Hauptursache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der betrieblichen und darf nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzung zur Eröffnung des Geltungsbereichs liegt bei dem klagenden Arbeitnehmer.
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LAG Düsseldorf, 13.09.2022, 3 Sa 831/21
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 124.410,06 € brutto. Die Klägerin war seit 2000 bei der beklagten Theater Produktionsgesellschaft beschäftigt. Der Theaterbetrieb wurde zum 30.06.2020 eingestellt. Die Beklagte beschäftigte zuletzt noch 4 Mitarbeiter. Anlässlich der Betriebsschließung schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di einen Tarifsozialplan ab. Danach erhielten die Mitarbeiter des Unternehmens, die aufgrund der Betriebsstilllegung des Theaterbetriebes betriebsbedingt gekündigt wurden eine Abfindung. Ausgenommen waren Mitarbeiter, denen verhaltens- oder personenbedingt wirksam gekündigt wird. Am 05.05.2020 verlud die Klägerin zwei Stühle aus dem Inventar des Theaters in ihr Fahrzeug. Eine Vereinbarung über den Kauf der Stühle aus dem Inventar des Theaters gab es nicht. Am 27.05.2020 warf die Beklagte der Klägerin vor, zwei Stühle aus den Räumen mitgenommen zu haben. In diesem Gespräch, dessen Inhalt im Übrigen teilweise streitig ist, wurde der Klägerin eine verhaltensbedingte Kündigung in Aussicht gestellt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.05.2020 ordentlich zum 30.11.2020. Das ArbG hat die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen. Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage die Abfindung aus dem Tarifsozialplan geltend. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Klägerin steht die geltend gemachte Abfindung nicht zu, denn sie erfüllt nicht alle Voraussetzungen des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifsozialplans. Gefordert wird dort ein Ausscheiden aufgrund betriebsbedingter Gründe wegen der Betriebsstilllegung des Theaterbetriebes. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht „auf Grund der Schließung bzw. Betriebsstilllegung des Theaterbetriebes“ beendet worden. Der Tarifsozialplan macht ein betriebsbedingtes Ausscheiden – hier aufgrund Betriebsstilllegung – zur Voraussetzung für eine Abfindungsleistung. Daher muss die Hauptursache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der betrieblichen und darf nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzung zur Eröffnung des Geltungsbereichs liegt bei dem klagenden Arbeitnehmer. Dass die Theaterschließung die Hauptursache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin gewesen wäre, konnte das LAG Düsseldorf nicht feststellen. Für die Eröffnung des Geltungsbereichs eines Sozialplans ist in der Regel der – im Zweifel durch Auslegung der Kündigungserklärung oder über Indizien zu bestimmende – entweder betriebs- oder verhaltens-/personenbedingte Kündigungswille des Arbeitgebers maßgebend. Ob betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe objektiv die Wirksamkeit einer Kündigung rechtfertigen könnten, ist für die Eröffnung des Geltungsbereichs des Tarifsozialplans nicht entscheidend, es sei denn, die Kollektivvereinbarung stellte erkennbar entscheidend hierauf ab. Selbst die unberechtigt verhaltensbedingt ausgesprochene Kündigung wird dadurch, dass verhaltensbedingte Gründe nicht vorliegen, zu keiner betriebsbedingten Kündigung. Das LAG Düsseldorf kommt unter Berücksichtigung der Gesamtumständen zu dem Ergebnis, dass die Kündigung verhaltens- bzw. personenbedingt, nicht jedoch betriebsbedingt erfolgt ist. Erfolgt eine ordentliche Kündigung zwar ohne Angabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben, jedoch im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Anhörung der Arbeitnehmerin zu verhaltensbedingten Vorwürfen und nach Ankündigung, über das Anhörungsergebnis müsse nun die Geschäftsleitung entscheiden, spricht dies indiziell stark für eine verhaltensbedingte und nicht betriebsbedingte Kündigung. Das Indiz wird noch verstärkt, wenn die betriebsbedingten Kündigungen der übrigen Arbeitnehmer erst zwei Monate später erfolgen.
Praxishinweis:
Die Beklagte erstellte der Klägerin ein auf den 30.11.2020 datiertes Zeugnis, in dem als Beendigungsgrund betriebsbedingte Gründe angegeben sind. Dies führt nach Auffassung des LAG Düsseldorf zu keiner abweichenden Beurteilung mehr. Mangels begründbaren berechtigten Vertrauens kann der Zeugnisinhalt dem Arbeitgeber in einem solchen Fall auch nicht mit der Begründung widersprüchlichen Verhaltens erfolgreich hinsichtlich der Streitfrage der Eröffnung des Geltungsbereichs des Tarifsozialplans entgegengehalten werden.
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