Rechtsstreit zum Verbot der Diskriminierung wegen des Alters
Rechtsstreit zum Verbot der Diskriminierung wegen des Alters
Im Jahr 1982 wurde AB vom Olympiako Athlitiko Kentro Athinon – Spyros Louis (OAKA) (Olympisches Athletikzentrum Athen – Spyros Louis, Griechenland), einer dem griechischen öffentlichen Sektor zugehörigen juristischen Person des Privatrechts, mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag eingestellt. Im Jahr 1998 wurde er mit den Aufgaben eines technischen Beraters betraut. Am 01.01.2012 wurde ?? gemäß dem Gesetz 4024/2011 vor seinem Eintritt in den Ruhestand in die Arbeitskräftereserve versetzt, was eine Verringerung seines Arbeitsentgelts auf 60 % seines Grundgehalts zur Folge hatte. Am 30.04.2013 kündigte OAKA den mit AB geschlossenen Arbeitsvertrag, ohne ihm die für den Fall einer Entlassung vorgesehene Entschädigung zu zahlen. Diese Verweigerung wurde auf das genannte Gesetz gestützt, das die Verrechnung der geschuldeten Entlassungsentschädigung mit dem Arbeitsentgelt vorsieht, das dem Arbeitnehmer während seines Verbleibs in der Arbeitskräftereserve gezahlt wird.
AB wandte sich an die griechischen Gerichte, wo er u. a. die Gültigkeit seiner Versetzung in die Arbeitskräftereserve in Abrede stellte, da seiner Ansicht nach durch das griechische Recht eine der Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) zuwiderlaufende Ungleichbehandlung wegen des Alters eingeführt wurde. Er beantragte, OAKA zum einen zur Zahlung der Differenz zwischen dem Arbeitsentgelt zu verurteilen, das er vor seiner Versetzung bezogen habe, und dem, das er danach bezogen habe, und zum anderen zur Zahlung eines Betrags als Entlassungsentschädigung.
Der in letzter Instanz mit dem Rechtsstreit befasste Areios Pagos (Kassationsgerichtshof, Griechenland) hat dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung der genannten Richtlinie vorgelegt. Er möchte u.a. wissen, ob das System der Arbeitskräftereserve, das den Arbeitnehmern nach dem Kriterium der bevorstehenden Erfüllung der Voraussetzungen für den Eintritt in den Ruhestand mit voller Altersrente vorbehalten ist, was voraussetzt, dass sie im Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 einen Zeitraum von 35 Beitragsjahren zurückgelegt und das 58. Lebensjahr vollendet haben, eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters beinhaltet, und ob diese Diskriminierung gegebenenfalls gerechtfertigt sein kann.
Mit seinem Urteil entscheidet der Gerichtshof, dass eine nationale Regelung, die ein rechtmäßiges beschäftigungspolitisches Ziel verfolgt und angemessene und erforderliche Mittel zu dessen Erreichung vorsieht, nicht gegen das Unionsrecht verstößt. Er stellt zunächst fest, dass die fragliche Regelung in den Geltungsbereich der Richtlinie fällt, die auch für Arbeitnehmer von dem öffentlichen Sektor im weiten Sinne zugehörigen juristischen Personen des Privatrechts gilt, insbesondere, was die Entlassungsbedingungen und das Arbeitsentgelt betrifft.
Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Versetzung in die Arbeitskräftereserve für diejenigen Arbeitnehmer der Arbeitgeber des öffentlichen Sektors im weiten Sinne vorgesehen war, die im betreffenden Zeitraum die Voraussetzungen für den Anspruch auf Bezug einer vollen Altersrente erfüllten. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer das Mindestalter von 58 Jahren erreicht hat, stellt eine unerlässliche Voraussetzung für den Anspruch dieses Arbeitnehmers auf die volle Altersrente und damit für seine Versetzung in die Arbeitskräftereserve dar. Die Anwendung des Systems der Arbeitskräftereserve beruht somit auf einem untrennbar mit dem Alter der betroffenen Arbeitnehmer verbundenen Kriterium. Auch wenn die andere Voraussetzung für den Anspruch auf eine volle Altersrente, nämlich die Erfüllung der 35 Beitragsjahre, als ein dem Anschein nach neutrales Kriterium anzusehen ist, enthält die griechische Regelung, wie der Gerichtshof feststellt, eine unmittelbar auf dem Kriterium des Alters beruhende Ungleichbehandlung.
Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters kann nach der Richtlinie jedoch im Rahmen des nationalen Rechts durch rechtmäßige Ziele, insbesondere aus dem Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, gerechtfertigt sein.
Die dringende Notwendigkeit, die öffentlichen Lohn- und Gehaltskosten zu senken, um der griechischen Wirtschaftskrise zu begegnen, kann nach Ansicht des Gerichtshofs für sich genommen kein legitimes Ziel darstellen, das eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters im Sinne der Richtlinie rechtfertigen würde. Gleichwohl entspricht das System der Arbeitskräftereserve rechtmäßigen beschäftigungspolitischen Zielen. Zum einen trägt es zur Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus bei, was eines der von der Union verfolgten Ziele darstellt. Zum anderen ermöglicht es die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur von jüngeren und älteren Beamten.
Daher prüft der Gerichtshof, ob die Mittel zur Erreichung der genannten beschäftigungspolitischen Ziele angemessen und erforderlich sind. Er stellt fest, dass das System der Arbeitskräftereserve ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieser Ziele darstellt.
Was die Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahmen anbelangt, weist der Gerichtshof darauf hin, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen zu finden, d. h. zwischen der Aufrechterhaltung eines hohen Beschäftigungsniveaus zugunsten jüngerer Arbeitnehmer und der Wahrung des Rechts, zu arbeiten. Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die Versetzung der betroffenen Arbeitnehmer in die Arbeitskräftereserve nur einen relativ kurzen Zeitraum von höchstens 24 Monaten währt. Außerdem erscheint der Wegfall der Entlassungsentschädigung aufgrund dessen, dass diese Arbeitnehmer nach Ablauf dieses Zeitraums in den Genuss der vollen Altersrente kommen, nicht unvernünftig.
Der Gerichtshof stellt außerdem fest, dass die Arbeitnehmer, die dem System der Arbeitskräftereserve unterstellt werden, in den Genuss von Schutzmaßnahmen kommen, die eine Abschwächung der nachteiligen Auswirkungen bewirken. Diese Maßnahmen umfassen außerdem die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen (im Privatsektor) eine andere Beschäftigung zu finden oder eine selbstständige Tätigkeit auszuüben, ohne dass dadurch der Anspruch auf die an dieses System geknüpfte Vergütung verloren ginge, aber auch die Ausnahme von der Versetzung in die Arbeitskräftereserve für schwache, schutzbedürftige Gesellschaftsgruppen.
Daher entscheidet der Gerichtshof, dass die Regelung die Interessen der Arbeitnehmer, die in die Arbeitskräftereserve versetzt wurden, nicht übermäßig beeinträchtigt und somit nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich ist.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
EuGH, 15.04.2021, C 511/19
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