Keine Eintrittspflicht der Hausratversicherung bei einem Trickdiebstahl
OLG Köln, 18.07.2017, 9 U 183/16
Nach § 5 Nr. 3 a) 1. HS VHB 2005 liegt Beraubung vor, wenn gegen den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Nach § 5 Nr. 3 a) 2. HS VHB 2005 liegt keine Gewalt vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl). Die Klausel in § 5 Nr. 3 a) 2. HS VHB 2005 ist weder wegen Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB noch als Überraschungsklausel nach § 305 c) Abs. 1 BGB unwirksam. Der Versicherungsnehmer wird nach dem normalen Sprachgebrauch typischerweise davon ausgehen, dass kein Raub vorliegt, wenn die Entwendung durch Überraschung erreicht wird, auch wenn dabei eine gewisse Körperkraft eingesetzt wird, um den Gegenstand wegzunehmen, nicht aber, um einen tatsächlichen oder erwarteten Widerstand zu brechen.
Originalentscheidung in JURION aufrufen:
OLG Köln, 18.07.2017, 9 U 183/16
Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Entschädigung aufgrund der bei dieser abgeschlossenen Hausratversicherung im Zusammenhang mit einem Vorfall vom 31.08.2013, bei dem ihr Schmuck im Wert von ca. 65.000,- Euro entwendet worden ist. Dies erfolgte durch einen Trickdiebstahl mit Hilfe des sogenannten BKA-Tricks, bei dem sich die Täter als BKA-Beamte ausgegeben hatten. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 25.000,- Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2014 verurteilt. Ein Entschädigungsanspruch der Klägerin aus der Hausratversicherung i.V.m. § 1 S. 1 VVG und den Vorschriften der vereinbarten VHB wurde mit der Begründung bejaht, dass ein Raub i.S.d. § 5 Nr. 3 a) VHB vorliege. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Beklagten, mit der sie die Klageabweisung insgesamt begehrt.
Entscheidungsanalyse:
Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat geurteilt, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten kein Entschädigungsanspruch aus § 1 Abs. 1 VVG i.V.m. § 5 Nr. 3 a) oder b) VHB 2005 und dem zwischen den Parteien geschlossenen Hausratversicherungsvertrag wegen der Entwendung des klägerischen Schmucks in der Nacht des 31.08.2013 zusteht. Nach Auffassung des Senats erfüllt die Vorgehensweise der Täter weder den Tatbestand der Beraubung des § 5 Nr. 3 a) S. 1 VHB 2005 noch denjenigen des § 5 Nr. 3 b) VHB 2005. Nach § 5 Nr. 3 a) 1. HS VHB 2005 liegt Beraubung vor, wenn gegen den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Nach § 5 Nr. 3 a) 2. HS VHB 2005 liegt keine Gewalt vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl). Aus Sicht des OLG ist die Klausel in § 5 Nr. 3 a) 2. HS VHB 2005 weder wegen Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB noch als Überraschungsklausel nach § 305 c) Abs. 1 BGB unwirksam. Der Senat stellt klar, dass in den Fällen, in denen der Täter – wie hier – das Überraschungsmoment ausnutzt und für die Wegnahme gerade keinen Widerstand überwinden muss, weil das Opfer keinen leistet, mangels Gewaltanwendung als Mittel der Wegnahme kein Raub vorliegt. Im konkreten Fall fehle es an einer für § 5 Nr. 3 a) S. 1 VHB 2005 erforderlichen Gewalteinwirkung gegenüber der Klägerin und dem Zeugen H durch die angeblichen Mitarbeiter des BKA als Mittel der Wegnahme des Schmucks. Nach Worten des OLG scheitert ein Raub hier daran, dass Mittel der Wegnahme keine Gewalteinwirkung auf die Klägerin und den Zeugen H war. Eine Gewalteinwirkung sollte aus Sicht der Täter – hier der angeblichen BKA Mitarbeiter – gerade dadurch vermieden werden, dass die Klägerin unter dem Vorwand einer vermeintlichen Warnung angewiesen wurde, den Schmuck letztlich außerhalb ihrer Wohnräume in einer Mülltonne zu deponieren und anschließend im Haus zu warten, so führt das OLG weiter aus. Das OLG Köln hat daher im Ergebnis die Klage abgewiesen.
Praxishinweis:
Nach Auffassung des OLG Köln waren im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen eines Versicherungsfalles nach § 5 Nr. 3 b) VHB 2005 nicht erfüllt. Nach § 5 Nr. 3 b) VHB 2005 liegt Beraubung vor, wenn der Versicherungsnehmer versicherte Sachen herausgibt oder sich wegnehmen lässt, weil eine Gewalttat mit Gefahr für Leib oder Leben angedroht wird, die innerhalb des Versicherungsortes verübt werden soll. Eine Beraubung i.S.d. § 5 Nr. 3 b) VHB 2005 scheitert nach Worten des OLG hier bereits daran, dass die Anrufer gegenüber der Versicherungsnehmerin nicht angedroht haben, „selbst eine Gewalttat mit einer Gefahr für Leib und Leben für die beiden in der klägerischen Wohnung auszuüben“. Zudem fehlt es hier auch an der Androhung einer „Gewalttat mit Gefahr für Leib und Leben“. Allein die Ankündigung, dass eine Diebesbande in das klägerische Haus eindringen will, stellt noch keine Androhung einer Gewalttat mit einer Gefahr für Leib und Leben für die Bewohner i.S.d. § 5 Nr. 3 b) VHB 2005 dar, meint das OLG Köln in dieser Entscheidung.
Urteil des OLG Köln vom 18.07.2017, Az.: 9 U 183/16