Darlegungslast bei der Geltendmachung von Überstunden
Darlegungslast bei der Geltendmachung von Überstunden
Nach dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ hat der eine Vergütung verlangende Arbeitnehmer darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er vertragsgemäße Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Verlangt ein Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für geleistete Überstunden, so hat er darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat, und dass die Leistung von Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst worden oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist.
Zur Originalentscheidung auf IWW Online aufrufen:
LAG Mecklenburg-Vorpommern, 21.09.2021, 2 Sa 289/20
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche. Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der einen lokalen Radiosender betreibt. Bei ihm sind durchschnittlich bis zu zehn Arbeitnehmer beschäftigt, darunter drei „Fachanleiter“ im Tagesbereich, ein Fachanleiter im Musikbereich, eine Angestellte zur Ehrenamtsbetreuung sowie ein Geschäftsführer. Daneben sind die Vorstandsmitglieder und über 100 ehrenamtliche „Mitmacher“, freiwillige Helfer, Praktikanten etc. im Einsatz. Die Klägerin war vom 01.08.2012 bis 30.09.2015 bei dem Beklagten als Projektleiterin und Radio-Fachanleiterin in Teilzeit (24 Stunden) beschäftigt. Am 17.09.2012 meldete der Beklagte dem Landesmedienausschuss, dass die Klägerin mit sofortiger Wirkung die Funktion der Programmverantwortlichen entsprechend RundfG M-V wahrnehme. Ab dem 01.12.2013 schlossen die Parteien eine gesonderte Vereinbarung zur Programmverantwortung, wonach die Klägerin als Programmverantwortliche „unabhängig von den konkreten Anstellungsbedingungen, notfalls auch ehrenamtlich“ tätig sein sollte. Mit ihrer Klage hat die Klägerin Zahlungsansprüche gegenüber dem Beklagten geltend gemacht mit der Behauptung, sie habe u.a. mit dem Beklagten ein zweites Arbeitsverhältnis über die Tätigkeit als Programmverantwortliche begründet, deren Erbringung nur gegen eine Vergütungszahlung erwartet werden könne. Sie habe zu vergütende Mehrarbeitsleistungen, in einem weit über das vereinbarte wöchentliche Arbeitszeitmaß von 24 Stunden hinausgehend, erbracht. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Entscheidungsanalyse:
Der Klägerin stehen keine weiteren Zahlungsansprüche gegen den Beklagten zu. Es spricht auch nach Auffassung des LAG Mecklenburg-Vorpommern einiges dafür, dass die Klägerin die Funktion der „Programmverantwortlichen“ innerhalb des mit der Beklagten befristeten Arbeitsvertrages als Ehrenamt übernommen hat. Für eine ehrenamtliche Tätigkeit spricht, dass die Vereinbarung zur Übernahme der Funktion als Programmverantwortliche keinerlei zeitlichen Umfang für ein Tätigwerden bestimmt, keinerlei Weisungsrechte des Beklagten enthält, eine Vergütungsabrede nicht getroffen ist, sondern vielmehr ausdrücklich von einer „ehrenamtlichen“ Wahrnehmung des Tätigkeitsbereiches gesprochen wird. Aber auch wenn die Vereinbarung zur Übernahme einer Tätigkeit als „Programmverantwortliche“ nicht als Übernahme einer Funktion, eines Ehrenamtes, wie in der Vereinbarung festgehalten, sondern als Arbeitsvertrag qualifiziert werden sollte, hat die Klägerin nicht darzulegen vermocht, dass ihr aus einer derartigen Vereinbarung Arbeitsvergütung zustehen könnte. Im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 a Abs. 2 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er vertragsgemäße Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 AZR 347/11). Die Klägerin hätte danach einzelne Tage und Zeiträume benennen müssen sowie der Programmverantwortung zuzuordnende Tätigkeiten, welche sie während dieser Zeiträume erbracht haben will. Die Klägerin hat in ihren Darlegungen nicht zwischen beiden Tätigkeitsbereichen unterschieden und im Einzelnen vorgetragen, wann sie aufgrund welcher Vereinbarung welche konkreten Leistungen für den Beklagten im welchen zeitlichen Umfang erbracht hat. Aber selbst wenn man den von der Klägerin behaupteten Stundenansatz zugrunde legen würde, wäre ein Vergütungsanspruch nicht feststellbar, denn es fehlt an der Erfüllung der Anforderung der Anweisung der Mehrarbeit bzw. Duldung derselben durch den Arbeitgeber bzw. deren Notwendigkeit zur Erfüllung übertragener Arbeitsaufgaben. Es fehlt danach nicht nur an einer konkreten Darlegung einer Überstundenleistung, sondern zudem an der Veranlassung der Überstundenleistung durch den Beklagten. Insoweit liegt substantiierter mit tauglichem Beweisantritt unterlegter Vortrag der Klägerin nicht vor.
Praxishinweis:
Auch der Hinweis der Klägerin auf die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und die darin enthaltene Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit hilft hier nicht weiter. Zweck der Regelungen dieser Richtlinie ist es nicht, dem Arbeitnehmer die Darlegung- und Beweisführung bei Wahrnehmung seiner arbeitsvertraglichen Rechte zu ermöglichen. Der Normzweck ist in keiner Weise ein vergütungsrechtlicher, sondern allein der Aspekt des Gesundheitsschutzes. Es soll die Berücksichtigung der Pausen und sonstigen Ruhezeiten der Arbeitnehmer durch die Behörden überwacht und sichergestellt werden. Eine Verletzung der öffentlich-rechtlichen Dokumentationspflicht durch den Arbeitgeber kann bei privatrechtlichen Vergütungsforderungen nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers angeführt werden.
Wenn Sie Fragen zum Thema Darlegungslast bei der Geltendmachung von Überstunden haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.