Begriff der medizinisch notwendigen Heilbehandlung
Begriff der medizinisch notwendigen Heilbehandlung
Eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne der AVB liegt vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung wird im allgemeinen dann auszugehen sein, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken.
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AG Köln, 26.05.2021, 146 C 128/17
Sachverhalt:
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses. Ein Patient des Krankenhauses, Herr Dr. N. G., unterhielt bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung (Tarif: CV3A0 für Ärzte). Die Parteien streiten über den Umfang der Erstattungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin, konkret über die Gabe von Thrombozyten-Konzentraten. Der Patient wurde während der Zeit vom 16.12.2013 bis zum 30.04.2014 stationär behandelt. Im Rahmen einer Operation (Versorgung mit einem Herz-Unterstützungssystem im Vorfeld einer Herztransplantation) wurden dem Patienten sogenannte Apherese- Thrombozyten-Konzentrate (ATK) gegeben. Klägerin und Beklagte nahmen an dem so genannten Klinik-Card-Verfahren teil. Der Patient legte der Klägerin vor der Behandlung in die Klinik-Card vor. Mit Schreiben vom 20.12.2013 bestätigte die Beklagte die Kostenübernahme grundsätzlich. Die Klägerin rechnete gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 22.05.2014 über 306.431,80 Euro ab. Die Beklagte regulierte den Versicherungsfall im Wesentlichen. Ausgenommen ist der eingeklagte Betrag von 2.876,72 Euro. Unter dem 19.08.2014 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, die Gabe von ATK könne nicht akzeptiert werden. Es werde gebeten, nach dem DRG-Fallpauschalen Katalog 2013 die Ziff. 84.14 in Ziff. ZE94.13 (OPS-Kodes: 8-800.9c in 8-800.bd) und insofern die Rechnung zu ändern. Die Klägerin behauptet, dass Pool-Thrombozyten-Konzentrate (PTK) nicht gleichwertig im Verhältnis zu den angewandten ATK seien.
Entscheidungsanalyse:
Das Amtsgericht Köln hat geurteilt, dass die Klägerin gegen die beklagte Krankheitskostenversicherung einen Anspruch auf Zahlung von 2.876,72 Euro hat. Nach Auffassung des Gerichts hat die klageführende Krankenhausträgerin die Behandlung des Patienten korrekt abgerechnet. Es habe ein Versicherungsfall i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 AVB, also eine medizinisch notwendige Heilbehandlung, vorgelegen. Nach Worten des AG liegt eine medizinisch notwendige Heilbehandlung vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Ob es vertretbar gewesen sei, die Heilbehandlung als notwendig anzusehen, könne nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden. Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung ist nach Worten des Gerichts im Allgemeinen dann auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken. Dies sei hier der Fall. Das AG erläutert, dass die Gabe von Thrombozyten-Konzentraten an sich unstreitig medizinisch notwendig war. Die medizinische Notwendigkeit der Gabe von ATK stehe i.S.d. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO zur Überzeugung des Gerichts fest. Es weist zudem darauf hin, dass die erfolgte Heilbehandlung nicht das medizinisch notwendige Maß überstieg. Das Gericht ist wegen der Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass die Gabe von ATK – jedenfalls für den Patienten im vorliegenden Fall – gegenüber der Gabe von PTK sogar die sinnvollere Alternative war. Denn der Sachverständige habe die Gabe von ATK als „Goldstandard“ bezeichnet. Das AG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage begründet ist.
Praxishinweis:
Das AG Köln weist in diesem Urteil auch darauf hin, dass eine Übermaßbehandlung zum einen dann vorliegt, wenn eine Krankheit mit überflüssigen Maßnahmen bekämpft wird. Das Maß des medizinisch Notwendigen kann nach Auffassung des AG zum anderen auch überschritten sein, wenn die Maßnahmen eine Besserung oder Linderung der Krankheit nicht mehr bewirken können, wobei das Wohlbefinden des Versicherungsnehmers aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine Behandlung stattfindet, außer Betracht zu lassen ist.
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