Ansprüche aus privater Unfallversicherung bei Sturz der Ehefrau
Ansprüche aus einer privaten Unfallversicherung bei Sturz der mitversicherten Ehefrau
Verneint der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung Fragen zum Alkoholkonsum des Versicherten, für den er Leistungen beansprucht, ohne sich vorher diesbezüglich zu erkundigen, so kann dies als Behauptung „in Blaue hinein“ eine vorsätzlich Obliegenheitsverletzung darstellen. Für eine arglistige Täuschung kommt es nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer bei Antragstellung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung hinreichend belehrt wurde.
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OLG Dresden, 15.04.2024 – 4 U 2022/23
Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung wegen eines behaupteten Unfallereignisses seiner mitversicherten Ehefrau, in dessen Folge sie eine inkomplette Querschnittslähmung erlitt. Zwischen den Parteien bestand ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung (AUB 2000) zugrunde lagen. In Ziff. 5 der AUB 2000 heißt es: „5.1 Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle: 5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen …“ Am 02.05.2021 stürzte die zum damaligen Zeitpunkt 65-jährige Ehefrau des Klägers gegen 01:00 Uhr nach einer Familienfeier in der Häuslichkeit. Der Notarzt, der ihren Transport ins Krankenhaus veranlasste, hielt im Einsatzprotokoll unter „Erstdiagnose“ fest, die Versicherte habe eine „Synkope“ erlitten. Bei der nachfolgenden Krankenhausbehandlung wurde in einem Laborbericht für den 02.05.2021 um 02:25 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 Promille festgestellt. Ausweislich des Entlassungsberichts habe die Ehefrau angegeben, dass sie „ca. 1 Uhr nach einer kleinen Feier im Rahmen der Familie zusammengerutscht sei“. Der Kläger zeigte den Schadensfall an. In einer vom Kläger zusammen mit einem Versicherungsvertreter der Beklagten ausgefüllten Schadensanzeige findet sich folgende handschriftliche Schilderung des Unfallhergangs: „Sturz in der Wohnstube, bedingt durch im Weg stehende Haus-Pantoletten. Frau K. hatte bereits das Licht gelöscht um ins Bett zu gehen.“ Unter „5. Begleitumstände“ hat der Kläger bei den Fragen „Hat die verletzte Person in den letzten 24 Stunden vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen?“ und „Wurde eine Blutprobe entnommen?“ jeweils das Kästchen „Nein“ angekreuzt. In einem Entlassungsbericht des nachbehandelnden Krankenhauses R. wird unter Anamnese u.a. ausgeführt: „Die Patientin sei am 02.05.2021 um 01:00 Uhr morgens nach einer Familienfeier, zu der sie auf ihren Geburtstag und Renteneintritt angestoßen habe, gestürzt und nach vorne übergekippt…“ Die Beklagte lehnte den Leistungseintritt mit der Begründung ab, dass es sich bei der Unfallursache „Synkope“ um eine nach den Versicherungsbedingungen ausgeschlossene Bewusstseinsstörung handele bzw. die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit wesentlich herabgesetzt gewesen sei. Mit der Begründung, es handele sich um ein Unfallgeschehen, da die Ehefrau des Klägers jedenfalls gestürzt sei, hat der Kläger Versicherungsleistungen auf der Grundlage einer 40%igen Invalidität sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Er legte unter eine Invaliditätsbescheinigung vor. Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger falle eine arglistige Verletzung von Aufklärungspflichten zur Last, da er vorsätzlich falsche Angaben in der Schadensmeldung getätigt habe. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Entscheidungsanalyse:
Der 4. Zivilsenat des OLG Dresden hat entschieden, dass der klagende Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung aus der zwischen den Parteien geschlossenen privaten Unfallversicherung wegen des Unfallereignisses seiner mitversicherten Ehefrau am 02.05.2021 hat, da der Versicherungsschutz hierfür ausgeschlossen war. Außerdem sei die Beklagte wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei geworden. Zur Begründung weist der Senat zunächst darauf hin, dass hier ein Unfallereignis im Sinne der Versicherungsbedingungen gegeben ist, da die Ehefrau des Klägers als versicherte Person am 02.05.2021 in der Wohnung auf den Fußboden gestürzt ist und sich hierdurch Wirbelkörperbrüche als Verletzungen zugezogen hat. Nach Überzeugung des OLG ist die Beklagte jedoch nach Ziff. 5.1.1. der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AUB 2000) leistungsbefreit, da sie mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen hat, dass das Unfallereignis infolge einer Bewusstseinsstörung eingetreten ist. Für eine Bewusstseinsstörung als Ursache des Unfallgeschehens spreche indiziell, dass schon der Notarzt unter „Erstdiagnose“ „Synkope“ vermerkt habe. Dem ebenfalls zeitnah zum Unfallgeschehen erstellten Entlassungsbericht der Klinik kann nach Worten des Senats außerdem entnommen werden, dass die Versicherte angegeben habe, sie sei „zusammengerutscht“. Dies deute auf eine Bewusstseinsstörung hin. Der Senat weist außerdem darauf hin, dass die Ehefrau zum Zeitpunkt des Unfallereignisses eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 Promille und damit einen erheblichen Alkoholisierungsgrad aufgewiesen hat. Nach Auffassung des OLG ist die Beklagte auch gemäß Ziff. 8 AUB, § 28 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VVG aufgrund einer arglistigen Obliegenheitspflichtverletzung von ihrer Leistungspflicht befreit. Denn der Kläger habe die Fragen zum Alkoholkonsum am Unfalltag und zur Durchführung einer Blutprobe wahrheitswidrig verneint. Aus Sicht des Senats liegt auch eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Klägers vor, sodass der Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 Abs. 3 VVG nicht eröffnet ist. Nach Ansicht des Senats wäre der Kläger verpflichtet gewesen wäre, sich vor der Beantwortung der Fragen bei der Versicherten oder seiner Tochter nach einem etwaigen Alkoholkonsum zu erkundigen und die Fragen nicht „ins Blaue hinein“ zu verneinen. Weil der Kläger sich nicht erkundigt habe, liege eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Praxishinweis:
Das OLG Dresden verdeutlicht in dieser Entscheidung die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers bei einer privaten Unfallversicherung. Nach Worten des OLG gibt es zudem für Unfälle im häuslichen Bereich keine Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration, ab denen eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorliegt. Selbst wenn bei der versicherten Person eine (unterhalb von 2,0 Promille liegende) hohe Blutalkoholkonzentration festgestellt werden kann, lässt sich daher allein aus einem Sturz noch nicht auf eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung schließen. Notwendig sei vielmehr stets eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Gesamtumstände.
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