Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen zur Beitragsanpassung
Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen zur Beitragsanpassung
Ein Versicherungsnehmer, der in der privaten Krankenversicherung gezahlte Beiträge zurückverlangen will, hat Anspruch auf – allein – die Erteilung von Nachtragsversicherungsscheinen aus vergangenen Jahren aus § 3 Abs. 3 VVG, wenn er darlegt und beweist, dass er über die ihm erteilten Versicherungsscheine nicht mehr verfügt.
Originalentscheidung auf Wolters Kluwer Online aufrufen:
OLG Schleswig, 18.07.2022, 16 U 181/21
Sachverhalt:
Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem Dezember 1987 eine private Kranken- und Pflegeversicherung, in der verschiedentliche Beitragsanpassungen stattfanden, über die die Beklagte den Kläger zuvor schriftlich informierte. Seit dem August 2020 wird, da der Kläger seiner Beitragszahlungspflicht nicht nachgekommen war, der Krankenversicherungsvertrag im Notlagentarif geführt. Mit anwaltlicher E-Mail vom 07.10.2020 nebst Vollmacht ließ der Kläger die Übersendung von Kopien sämtlicher Unterlagen zu sämtlichen Beitragserhöhungen seit dem Januar 2010 verlangen, die ihm nicht mehr vorlägen. Die Beklagte wies das mit Schreiben vom 22.10.2020 unter Verweis auf eine ungenügende Vollmacht, die den Gegenstand der Vertretung nicht erkennen ließ, zurück. Mit seiner im Dezember 2020 eingereichten und im April 2021 zugestellten Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Auskunft über alle Beitragsanpassungen ab dem Juni 2014 unter Beifügung geeigneter Unterlagen zu Höhen und Tarifen, zu den übermittelten Anschreiben und Nachträgen sowie zu den Begründungsschreiben und Beiblättern verlangt, weiter die Feststellung, dass die noch näher zu bezeichnenden Erhöhungen unwirksam seien und er nicht zur Beitragszahlung verpflichtet sei, sowie schließlich die Rückzahlung eines nach der Auskunft noch zu beziffernden Betrages. Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Entscheidungsanalyse:
Der 16. Zivilsenat des OLG Schleswig hat geurteilt, dass der Kläger die Ausstellung der ihm im Zuge von Beitragserhöhungen erteilten Nachtragsversicherungsscheine beanspruchen kann. Nach Auffassung des Senats ergibt sich sein Anspruch auf die erneute Erteilung der Nachtragversicherungsscheine für den Zeitraum von Juni 2014 bis zum Dezember 2018 aus § 3 Abs. 3 S. 1 VVG. Danach kann der Versicherungsnehmer, wenn ein Versicherungsschein abhandengekommen oder vernichtet ist, vom Versicherer die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheines verlangen. Die Voraussetzungen der Vorschrift lägen hier vor. Das OLG erläutert, dass sich die Vorschrift auch auf Nachträge bezieht, und dass kein zureichender Grund für eine Beschränkung des Anspruchs auf den aktuell geltenden Versicherungsschein besteht. Der Senat geht hier davon aus, dass der Kläger sie die Nachträge von 2014 bis 2018 nicht mehr besitzt, weil er sie nach einem Wasserschaden entsorgt hat. Aus Sicht des Senats ist der Anspruch, den der Kläger auf die ab dem Juni 2014 erteilten Nachträge erstreckt, auch nicht durch den Verjährungseinwand der beklagten Versicherungsgesellschaft begrenzt. Der Anspruch nach § 3 Abs. 3 VVG setze nur voraus, dass der Versicherungsschein abhandengekommen oder vernichtet sei. In zeitlicher Hinsicht werde er begrenzt durch die der Beklagten obliegenden Aufbewahrungspflichten. Innerhalb dieser Grenzen bestehe kein Grund zur Verweigerung. Nach Worten des OLG besteht hingegegen kein Anspruch des Klägers aus § 810 BGB, weil er nicht Einsicht in Unterlagen, sondern eine Auskunft in Gestalt ihrer Überlassung verlangt. Auch aus Art. 15 DS-GVO könne der Kläger keine Rechte herleiten, jedenfalls keine, die über jene aus § 3 Abs. 3 VVG hinausgingen. Nach Überzeugung des Senats stehen dem Kläger auch keine weitergehenden Ansprüche auf Auskünfte aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu. Denn er habe bislang schon nicht zureichend dargetan, dass für einen Rückforderungsanspruch oder eine zukünftige teilweise Beitragsbefreiung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit bestünde. Zudem sei der Kläger auf die Vorlage der Unterlagen auch nicht angewiesen. Er habe selbst vortragen lassen, dass die Beklagte Erhöhungsschreiben mit defizitären Begründungen wortlautgleich in der ganzen Republik versandt habe. Aus Sicht des Senats liegen die nötigen allgemeinen Unterlagen bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers, deren berufliche Aufgabe u.a. in der Verfolgung von Beitragsrückforderungen in der privaten Krankenversicherung für hunderte von rechtsschutzversicherten Versicherungsnehmern liegt, für jedes in Rede stehende Jahr vor. Nach Überzeugung des OLG besteht daher hier ein Anspruch aus § 3 Abs. 3 VVG, sodass sich die Stufenklage zulässig ist. Die Berufung des Klägers habe daher auf der ersten Stufe teilweise Erfolg.
Praxishinweis:
Nach der hier vom OLG Schleswig vertretenen Auffassung kann sich ein Anspruch auf Überlassung vergangener Nachtragsversicherungsscheine aus Treu und Glauben ergeben, wenn der Versicherungsnehmer dargelegt hat, dass für einen Rückforderungsanspruch oder eine zukünftige teilweise Beitragsbefreiung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht und der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist. Hierfür reicht es nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Beitragserhöhungen aufgrund der noch zu erteilenden Auskünfte lediglich prüfen lassen will.
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